Zum Inhalt
Kein Zweifel: zu den vorrangig formierenden Faktoren menschlicher Geschichte gehört die Erfahrung der Himmels-, der Heilsbedeutung des Pferdes. Daß für letztere gleichermaßen die Inversion wesentlich bleibt, dafür bürgt ebenfalls das Pferd, indem es dem Menschen nicht nur den Himmels-, sondern ursprünglich auch den Erdbezug schenkt. Das ist die spezifisch kentaurische Dimension des Reitens, die es mit der Mythologie verbindet.
Entscheidend bleibt hier die harmonische Einheit von Aussetzung und Schutz. Das Pferd setzt den Menschen dem Elementaren aus und schützt ihn zugleich davor, so daß er eine nuancenreiche Erfahrung dieses Elementaren gewinnen kann, ohne an ihr in die Auflösung zu geraten und zugrunde zu gehen.
In der Ode, in der Hölderlin das Kentaurische Sein dichtet und auf tiefste bedenkt, in der Ode "Chiron", ist die Rede vom "Haus meiner Väter, die unstädtisch / sind, in den Wolken des Wilds, gegangen". Das Gehen, von dem hier gesprochen wird, ist das indianische Reiten, das Reiten, das aufgrund innigster Einheit mit dem Pferd in sich ein Gehen ist, sofern es bei der Jagd inmitten der unermesslichen Herden, der "Wolken des Wilds", im stärksten Erdbezug schwingt. Und die Erde selbst ist ja ein Pferd, etwas, das durch des Menschen Bewegungen, vor allem durch seine Tänze im Gleichgewicht zu erhalten ist!
Solchermaßen stand das Pferd eingerückt und einrückend inmitten der großen Bezüge, der Bezüge zwischen Herrschaft und Dienst, Himmel und Erde, Unsterblichen und Sterblichen, Männlichem und Weiblichem; leidend und mitgestaltend auch nahm es teil am familialen Stein des Menschen.
Im erdkolonialen Zeitalter gehen Mensch und Pferd in die Abgeschiedenheit voneinander. Jener wird zum austauschbaren Anhängsel der Technik, zum gläsernen, innerlich und äußerlich, buchstäblich bis auf die Unterwäsche durchsichtigen, geheimnislosen Vehikel einer sich absolut setzenden Verwaltung, letzteres zum "Medium", zur Attraktion der Freizeitindustrie. So erhält sich zumindest ein Residuum der alten Schicksalsgemeinschaft von Mensch und Pferd selbst noch im äußersten Schwund von Bezug und Nähe, ein Schwund, mit dessen Konsequenzen unabdingbar auch der Versuch konfrontiert wird, unter dem Titel "Technik und Mythologie" im erdkolonialen Zeitalter eine geschichtliche Lagebestimmung zu erreichen, durch "Wüstengänge" in der Epoche des Wüstenwachstums eine Orientierung zu finden.
Bibliografische Daten
| Autor | Jörg Villwock |
| Titel | Technik und Mythologie Band III |
| Untertitel | Wüstengänge |
| Seiten | 170 |
| Erscheinungsjahr | 2002 |
| Ort | Hamburg |
| ISBN (Print) | 978-3-8300-0814-9 |
| eISBN (eBook) | 978-3-339-00814-5 |
| Schriftenreihe | ELEUSIS – Geisteswissenschaftliche Abhandlungen |
| Herausgeber | Prof. Dr. Jörg Villwock |
| Band | 11 |
Weitere Bücher des Autors
Geisteswissenschaftliche Perspektiven im erdkolonialen Zeitalter
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Eleusinische Betrachtung zur abendländischen Dichtung und Philosophie
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Studien zu ihrer geistigen Wirklichkeit im Abendland
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[…] Geistesgeschichtlich interessierte und philosophischer Diktion aufgeschlossene Kanonistinnen und Kanonisten, die bereit sind, dem Autor bei seinem […]
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