Ingo Till Krause„Koloniale Schuldlüge“? Die Schulpolitik in den afrikanischen Kolonien Deutschlands und Britanniens im Vergleich
Studien zur Geschichtsforschung der Neuzeit, Band 51
Hamburg 2007, 364 Seiten
ISBN 978-3-8300-2902-1 (Print)
ISBN 978-3-339-02902-7 (eBook)
Rezension
[…] Noch immer mangelt es an vergleichenden Darstellungen zur europäischen Expansionsgeschichte. Denn nur sie verdeutlichen, daß der Prozeß der Ausbreitung Europas über den größten Teil der Erde strukturell sehr viel mehr Gemeinsamkeiten besaß als Unterschiede und daß, im Fall des kurzlebigen deutschen Kolonialabenteuers (1884-1914), es sinnvoller ist, von dessen Einbettung in diesen welthistorischen Vorgang der Globalisierung zu sprechen als neue „Kontinuitätsthesen“ im Hinblick auf das Dritte Reich oder gar einen erneuten „deutschen Sonderweg“ zu konstruieren. Diese Schlußfolgerung belegt auch die materialreiche, auf archivarischen Quellenstudien sowie der inzwischen breiten einschlägigen Literatur beruhende Berliner Dissertation von Krause zur britischen und deutschen Kolonialschulpolitik in Afrika. […]
Zum Inhalt
Die Abtretung der deutschen Kolonien in Afrika wurde von den Siegermächten des Ersten Weltkrieges mit der Behauptung begründet, dass Deutschland „unwürdig“ sei, Kolonien zu besitzen, weil es sie schlecht verwaltet habe. Dabei wurde vor allem auf die Schulpolitik verwiesen. Von deutscher Seite aus wurde diese Behauptung zurückgewiesen und als Lüge, genauer als „Kolonialschuldlüge“, bezeichnet.
Wer hatte Recht – die Alliierten oder die Deutschen? War die deutsche Schulpolitik in den afrikanischen Kolonien wirklich so schlecht? Nur durch einen Vergleich mit der Schulpolitik einer anderen europäischen Kolonialmacht, im Fall der Publikation mit der britischen, kann auf jene Kontroverse eingegangen werden. Hierbei wurde zeitgenössisches Archivmaterial und aktuelle Sekundärliteratur herangezogen und beide kolonialen Schulwesen systematisch verglichen. Bei diesem Vergleich wurden folgende generelle Aspekte berücksichtigt: die Zahl und Größe der Schulen und anderen kolonialen Bildungseinrichtungen; ihr innerer Aufbau und ihre Organisation; die Lehrinhalte, wobei vor allem auf die jeweilige Sprachpolitik eingegangen wurde sowie die Rezeption und die Folgen der jeweiligen Bildungspolitik für die Kolonialisierten.
Die deutsche koloniale Schulpolitik, so das Resultat, war weder so „gut“ noch so „schlecht“ wie in der apologetischen bzw. kritischen deutschen und internationalen Forschung behauptet wird. Sie ähnelte in vielen Bereichen der zeitgleichen britischen kolonialen Schulpolitik. Beide Kolonialmächte beschulten mit Hilfe der christlichen Missionen und wenigen eigenen staatlichen Kolonialschulen mit zeitgemäßen Mitteln nur eine Minderheit, die mit ihrem technischen Wissen eine Vermittlerschicht darstellen sollte. Hierbei befand sich das Bildungsniveau ungefähr auf dem damaliger Volksschulen in Europa. Dies hat ein synchroner Vergleich erbracht. Der diachrone und zeitversetzte Vergleich erbrachte, dass die deutsche koloniale Schulpolitik straffer, effizienter und strenger als die britische gewesen ist. Grund hierfür war eine Nachholdynamik, welche die Deutschen gegenüber den anderen Kolonialmächten entwickelten.
All dies zeigt, dass Schuldvorwürfe an die Adresse der Deutschen problematisch sind. Wenn schon von Schuld die Rede ist, so sollte man eher von Schuld der europäischen Kolonialmächte insgesamt sprechen, wie diese Publikation detailreich veranschaulicht.
Schlagworte
AfrikaBildungDidaktikGeschichteGeschichtswissenschaftImperialismusKolonialismusKolonialschuldlügeKolonienSchuleIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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