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Anarchie und Christus: Der mystische Anarchismus des Nikolai Berdjajew

BOETHIANA – Forschungsergebnisse zur Philosophie, Band 204

Hamburg , 284 Seiten

ISBN 978-3-339-14202-3 (Print)

ISBN 978-3-339-14203-0 (eBook)

Zum Inhalt deutschenglish

Nikolai Berdjajew (1874–1948) war russischer Religionsphilosoph und Existentialist. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts galt er als einer der einflussreichsten Philosophen der Welt. Max Scheler, Oswald Spengler und Aldous Huxley waren mit ihm befreundet. Andrej Tarkovskij orientierte sich an ihm. Seine personalistische Philosophie ist auch für unsere Zeit von bleibender Bedeutung.

Bisherige Darstellungen Berdjajews haben ihn im Wesentlichen als orthodoxen Theologen interpretiert, was Berdjajew aber selbst ablehnt. Sein zentrales Thema ist die Freiheit. Deren Definition als Einsicht in die Notwendigkeit (Hegel, Marx) akzeptiert Berdjajew nicht. Jeder Mensch ist ein mit Gottebenbildlichkeit ausgestatteter Mikrokosmos. Seine Talente und Gaben sind unabhängig von sozialer Herkunft und Gesellschaft gottgegeben.

Die Aufgabe des Menschen ist es deshalb, seine konkrete Persönlichkeit zu entwickeln, die Berdjajew vor allem geistig fasst. Dabei kann wahre Gemeinschaft helfen. Gesellschaftliche Normen, Staat, Gesetze, Kirchenhierarchie und Logik aber sind nie konkret. Sie zielen aufs Allgemeine und beschneiden so die Möglichkeiten der Persönlichkeit. Jede Form des Zwangs widerspricht aber der Freiheit.

Berdjajew entwickelt dagegen seinen mystischen Anarchismus: Die Gesellschaft muss dem Menschen die Ausprägung seiner Persönlichkeit ermöglichen. Geistes- und Gewissensfreiheit sind absolut notwendig. Wie jeden Zwang lehnt Berdjajew Alternativlosigkeit, Nationalismus und Imperialismus strikt ab. Sowohl der Kapitalismus als auch der Sozialismus zerstören die Persönlichkeit, indem sie die Menschen kollektivieren. Man kann die Menschen nicht zu ihrem Glück zwingen. Der Zweck heiligt nie die Mittel, eher umgekehrt.

Berdjajew fordert dagegen Toleranz, Gnade und Pazifismus ein. Ökonomisch entspricht dem der Anarchosyndikalismus. Das Reich Gottes als letzte Zielvorstellung ist nur als anarchistisches denkbar.

Zum Autor

Mathias Heller, geboren 1960 in Neustrelitz, lebt seit 1966 in Berlin. Er studierte nach Abitur und Wehrdienst 1980 bis 1985 Philosophie, Ästhetik und Verhaltensbiologie an der Humboldt-Universität. Diplomarbeit über Thomas Mann und Kafka. Heller arbeitete als Reporter und Redakteur beim Rundfunk und bei Zeitungen, zuletzt mehr als 20 Jahre lang als Ressortleiter bei der größten Tageszeitung Berlins.

2022 erschien sein Buch „Tarkovskijs Kritik an der transzendentalen Obdachlosigkeit der Moderne“ über die philosophischen und religiösen Quellen des russischen Meister-Regisseurs. Dazu gehört wesentlich Berdjajew, der in der russischen und westeuropäischen Geistesgeschichte bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine wichtige Rolle gespielt hat, aber heute zu Unrecht nahezu vergessen ist.

Heller ist verheiratet und hat vier Kinder.

Ihr Werk im Verlag Dr. Kovač

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