Björn Hayer (Hrsg.)Entstaubt: Klassikerinszenierungen im Gegenwartstheater
Schriften zur Kulturwissenschaft, Band 131
Hamburg 2025, 172 Seiten
ISBN 978-3-339-14040-1 (Print)
ISBN 978-3-339-14041-8 (eBook)
Zum Inhalt
Angesichts der Vielzahl von Uraufführungen an deutschsprachigen Theatern, die priorisiert im Fokus der öffentlichen Berichterstattung stehen, haben es Klassikerinszenierungen schwer.
In der Fläche, einschließlich Stadttheater, Landesbühnen und freien Bühnen, erlangen sie wenig Aufmerksamkeit seitens der Theaterkritik und Wissenschaft – obschon sich die darin zutage tretende Innovationskraft als enorm erweist. Davon zeugt der vorliegende Band. Die darin versammelten Beiträge gehen der Frage nach, mit welchen ästhetischen Mitteln Regisseur:innen kanonische Texte aktualisieren.
Was dabei auffällt, sind zumeist gesellschaftskritische Zugriffe, die von der Brisanz heutiger Diskurse herrühren. Seien es Aufführungen von William Shakespeares Romeo und Julia oder von Johann Wolfgang Goethes Faust I – verkrustete Geschlechterbeziehen und anachronistische Machtstrukturen werden durch heutige Theatermacher:innen aufgezeigt und gleichsam aufgebrochen. Aber auch andere den Zeitgeist bestimmende Themen nehmen Raum ein. Eine Schimmelreiter-Realisierung liest sich als Kommentar auf die erdgeschichtliche Epoche des Anthropozäns sowie den menschlich induzierten Klimawandel. Derweil greift das „Sekundärdrama“ Die Schutzbefohlenen, in dem die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek Bezug auf Aischylos’ Die Schutzflehenden nimmt, das Fortleben von Faschismus, Sexismus und Kolonialismus in der Gegenwart auf.
Eine besondere Bedeutung kommt in den Betrachtungen überdies der Gestaltung der Bühnen zu. Sie reichen von der Rondell-Architektur bis hin zur Konstruktion aus mehreren Ebenen und zeugen damit von Kreisläufen bzw. hierarchischen Oppositionen. Auf diese Weise schaffen zeitgenössische Inszenierungen mithin ein vertieftes Wahrnehmungsbewusstsein, sowohl für die Form als auch gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen.