Rainer HillenbrandEinführung in Goethes Faust
Studien zur Germanistik, Band 105
Hamburg 2024, 322 Seiten
ISBN 978-3-339-13898-9 (Print)
ISBN 978-3-339-13899-6 (eBook)
Zum Inhalt
Goethes Faust ist die Summe seines Lebenswerks. Motive und Fragestellungen der griechisch-römischen Antike, der biblisch-christlichen Theologie, der Philosophie und der Naturwissenschaften kreisen um die zentrale Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz.
Trotz der langen Entstehungszeit folgt die Dichtung einer gedanklichen Grundkonzeption. Goethe selbst spricht von einer zentralen „Idee“, die ihn geleitet habe; die Vielfalt der Einzelheiten müsse sich „dem Geist und Ton des Ganzen subordinieren“. Schiller nennt diese Kernidee die „Duplizität der menschlichen Natur“; für Goethe ist diese „Geeinte Zwienatur“ von Körper und Geist, die erst nach dem Tod durch die „ewige Liebe“ aufgelöst werden kann, die problematische Grundbedingung des Menschenlebens. Fausts transzendente ‚Erlösung’ geschieht dann – in durchaus fragwürdiger Weise – ohne Rücksicht auf Irrtum und Schuld, denn die Grundschuld des Menschen ist für Goethe der kreatürliche Egoismus, der zugleich die Voraussetzung für seine schöpferische Tatkraft ist. Faust ist daher weder eine positive Idealisierung von Wissensdrang und Fortschrittsoptimismus, noch eine negative Kritik daran, sondern ein ‚gemischter Charakter’.
Ästhetisch entspricht diesem Konzept der Dualismus von Inhalt und Form, die getrennt, aber aufeinander bezogen sind. Goethe will erreichen, daß die Kunst als Kunst erkennbar bleibt und niemals selbst den Eindruck der Realität erweckt. Dem dient die Inszenierung als ‚Theater auf dem Theater’ und der gezielte Illusionsbruch in der Hinwendung zum Publikum. Schein und Sein zu verwechseln, ist die Täuschung, die im Drama der Teufel betreibt, und die Selbsttäuschung, der Faust noch im Sterben zum Opfer fällt. Klassische Kunst hat die Aufgabe, diesen Irrtum nicht nur zu vermeiden, sondern ihn sichtbar zu machen. Ein Hauptmittel zur Bedeutungsschaffung ist dabei, wie Schiller sagt, die „Symbolische Bedeutsamkeit“, durch die alles Konkrete zur Variation eines Urbilds wird. Das Ewig-Gültige und das Historisch-Relative wird so über die Grenzen von Raum und Zeit, von Traum und Wirklichkeit hinweg in einen Sinnzusammenhang gebracht.
Diese leitende Grundidee will vorliegende Einführung im Zusammenhang der Stoff-, Ideen- und Entstehungsgeschichte an den einzelnen Szenen bewußt machen und so mit stetem Bezug zu Goethes „Hauptsache“ ein textnahes Grundverständnis dieses schwierigen Werks der Weltliteratur vermitteln.
Schlagworte
Dualistisches MenschenbildFaustGoetheIllusionIllusion und WirklichkeitKlassische ÄsthetikLiteraturwissenschaftSymbolikTeufelsbundTheaterTheater auf dem TheaterWeimarer KlassikIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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