
Peter TewesGehirn und Vernunft – Zur Differenz von Neurowissenschaften und Pädagogik
Schriften zur Pädagogischen Theorie, Band 24
Hamburg 2025, 94 Seiten
ISBN 978-3-339-13822-4 (Print)
ISBN 978-3-339-13823-1 (eBook)
Zum Inhalt
Die Hypothese ist so alt wie das überlieferte europäische Denken: „Aber alles bestehe aus den von ihm so genannten unteilbaren Formen [= Atome]. Sonst gebe es nichts.“ Diese Auffassung wird Demokrit zugeschrieben, der zwischen 460 und 370 v. Chr. als Philosoph in Griechenland tätig war.
Die Implikationen dieser Hypothese sind gewaltig: Wenn es außer Atomen nichts gibt, dann ist auch das Denken eine Abfolge von Atombewegungen und daher mit naturwissenschaftlichen Mitteln zu erforschen. Die Mechanik denkt ausschließlich kausal. Wenn nun alles kausal ist, dann gibt es nicht das, was die Kulturen der Welt Vernunft oder später Freiheit oder Spontaneität und Kreativität nennen: Die Folgen also der Willensfreiheit.
Der Traum der Materialisten war immer diese eine Vorstellung: Wenn alles aus Atomen entsteht und besteht, auch das Denken, dann kann man das Denken, das Wilde Denken, den angeblich unverfügbaren Rest unserer Natur also, endlich erklären, zähmen und schließlich beherrschen: Jeder Gedanke ist nur die Folge eines früheren Gedankens ….
Was geschieht, wenn man die kausale Erklärung des Denkens auf die Pädagogik anwendet? Wie muss man pädagogisches Handeln gestalten, wenn man Gedanken nicht mehr so lehrt, dass sie verstanden werden müssen, sondern so präsentiert, dass sie internalisiert werden? Verträgt sich materialistisches Denken, wie wir es seit der Antike in der gesamten Philosophie immer wieder überliefert finden, mit den Grundannahmen der Pädagogik, wie sie seit der Antike formuliert wurden? Sind gar die pädagogischen Grundannahmen falsch?
Bevor man pädagogisch handelt, sollte man diese Fragen beantwortet haben.
Es ist die Besonderheit des vorliegenden Buches, dieser einen Frage konsequent zu folgen: Kann man pädagogisches Handeln mit naturwissenschaftlichen Methoden begründen? Diese eine Frage stellt der Autor, und der Beantwortung dieser einen Frage durch die Neurowissenschaft geht der Autor nach. Er präpariert Voraussetzungen und Implikationen aus der grundlegenden Forschungsfrage der Hirnforschung, die für die Pädagogik relevant sein sollen. Der Gewinn dieser Konzentration auf den zentralen Aspekt ist hoch: Der Autor kann systematisch prüfen, ob der eine zentrale, alle weiteren Folgerungen tragende Gedanke richtig gedacht wurde, der eine Gedanke, den wir bei den Vorsokratikern bereits formuliert finden: es gibt nichts außerhalb naturwissenschaftlicher Kausalität. Auch keinen Geist.