: Suizidales Verhalten alter Menschen

Suizidales Verhalten alter Menschen

Buch beschaffen

Studien zur Gerontologie, Band 3

Hamburg , 300 Seiten

ISBN 978-3-86064-413-3 (Print)

Zum Inhalt

Der steigende Anteil alter Menschen an der Gesamtbevölkerung bedeutet für die meisten Industriestaaten auch eine Verlängerung der individuellen Lebenszeit jenseits der Berufswelt. Die Tatsache, dass sich mit dieser Verlängerung die behinderungsfreien Jahre nicht im gleichen Maße ausweiten, wirft die Frage nach der Attraktivität "dazu gewonnener Jahre" auf. Die hohe Auftretungswahrscheinlichkeit bestimmter Lebensereignisse (z.B. Hilfs- und Pflegebedürftigkeit, Kompetenzeinbußen, Partnerverlust, Tod eines Familienangehörigen, Verlust der Wohnung, Aufnahme in ein Pflegeheim) könnten die Verlängerung menschlichen Lebens auch als "lebensunwerten Gewinn" deuten lassen.

Diese Arbeit macht den Suizid alter Menschen zum Indikator der Attraktivität des Ruhestandes. Die Attraktivität der letzten Lebensphase wird über einen Neunjahreszeitraum empirisch überprüft. Die Studie bildet Veränderungen des suizidalen Verhaltens alter Menschen ab und beantwortet die Frage, wie viele Menschen auf die Belastungen des Alters mit einem Suizid reagieren. Eine Totalerhebung der polizeilich registrierten Suizide der Städte Wuppertal, Remscheid und Solingen ermöglicht die Analyse von 1381 Selbsttötungen. Sie erlaubt eine Einschätzung der gesellschaftlichen Relevanz von Selbstvernichtung alter Menschen. Aus der Perspektive der Polizei kann der Alterssuizid sogar als ein weitgehend ignoriertes Problem gedeutet werden.

Psychologische Erklärungsansätze des Suizids betrachten alte Suizidenten als "krank". Ringel meint, in alten Suizidenten eine gestörte Persönlichkeit zu erkennen. Danach lassen sich am alten Menschen neurotische Fehlentwicklungen festmachen, deren Ursache letztlich aus dem Modell der Persönlichkeitsentwicklung von Freud abgeleitet werden. Lehnt man jedoch den Kausalzusammenhang von Alterssuiziden und Entwicklungen ab, die aus intrauterinen Erfahrungen (Henseler) oder dem ersten Lebensjahr (Freud) resultieren, hat die Psychoanalyse zur Erklärung der Selbstvernichtung alter Menschen fast nichts zu bieten. Makrosoziologische Ansätze beeindrucken durch die statistische Konstanz des suizidalen Verhaltens. Die Empirie der Suizide hat fast eine prognostische Wirkung, die sehr genau auf zukünftige Suizidraten hindeutet. Hier werden nahezu konstante äußere Kräfte, die vom einzelnen alten Menschen zu abstrahieren sind, zur Ursache von Alterssuizid gemacht.

Als Alternative zu psychoanalytischen und makrosoziologischen Ansätzen versucht diese Studie, über die "mundane Soziologie" Schütz‘ den Konstitutionsprozess des suizidalen Verhaltens alter Menschen nachzuzeichnen. Der Suizidhandlung geht die motivierende Konstitution einer suizidalen Wirklichkeit voraus. Diese basiert zwar auf individuellen Auslegungen gemachter Erfahrungen, deutet jedoch auf suizidale Wirklichkeiten alter Menschen hin, die sich nach Alter, Familienstand, Lebensereignissen, Generation, Geschlecht oder Suizidhandlung oder -methode vergleichen lassen. Das Motiv von Suizidhandlungen alter Menschen deutet somit Strukturmerkmale an, die den Alterssuizid selbst als Strukturmerkmal des Alters in Industriegesellschaften erscheinen lassen können.

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