Björn-Ole KammNutzen und Gratifikation bei Boys‘ Love Manga
Fujoshi oder verdorbene Mädchen in Japan und Deutschland
Schriften zur Medienwissenschaft, Band 23
Hamburg 2010, 218 Seiten
ISBN 978-3-8300-4941-8 (Print)
ISBN 978-3-339-04941-4 (eBook)
Zum Inhalt
Fujoshi bedeutet wörtlich verdorbene Mädchen? und ist die selbst gewählte und zugleich selbstironische Bezeichnung für die Leserinnen männlich-homosexueller Manga, die als Boys‘ Love (BL) oder yaoi bekannt sind. Ein Genre, das auch zunehmend außerhalb Japans enormen Zuspruch findet. Seit den späten 1980er Jahren blüht in Japan der Diskurs über diese ,verdorbenen? Mädchen und Frauen, insbesondere wenn es um die Frage geht, warum Frauen Geschichten lesen, in denen ausschließlich Beziehungen zwischen Männern dargestellt werden und keine einzige weibliche Protagonistin auftaucht.
Anstatt sich jedoch mit den Leserinnen bzw. Nutzerinnen selbst zu beschäftigen, beschränkt man sich bei der Frage nach dem ,Warum?‘ fast ausschließlich auf die Inhalte. So werden einige wenige, oft eher bekanntere Titel analysiert, um aus dem Inhalt auf die Nutzungsmotive zu schließen. Es dominieren Essentialisierungen, pathologisierende Erklärungsansätze und ein negatives Frauenbild. Die Frau scheint nur als Partnerin eines Mannes oder nach solch einer Partnerschaft strebend denkbar. Ihre Nutzung von Boys‘ Love müsse somit auf sexuelle Probleme verweisen und könne nur als Wirklichkeitsflucht gedeutet werden. Diesen Pathologisierungen widersprechend bieten junge Wissenschaftlerinnen und BL-Praktikerinnen vermehrt eine andere Perspektive, die die Vielfalt betont – sie zeigten vor allem die inhaltliche Vielfalt des Genres auf.
Jedoch auch die Nutzung gestaltet sich vielfältig, was nur durch eine Konzeption von Manga als Medium ersichtlich werden kann – etwas, das die japanische Mangaforschung zwar angedeutet, aber bisher noch nicht umgesetzt hat. Die eher am nordatlantischen Kulturkreis orientierte Mediennutzungsforschung andererseits fokussiert auf das Fernsehen als den großen Symbolproduzenten. Dies sollte bei der wachsenden Bedeutung von Manga auch außerhalb Japans hinterfragt werden. Die Studie stellt einen Dialog zwischen beiden Feldern dar. Von einem im Sinne des symbolischen Interaktionismus aktiven Rezipienten ausgehend, wurden mehrere qualitative Interviews in Japan und Deutschland durchgeführt, um gegen die Kernprobleme bisheriger Erklärungsansätze, vor allem gegen die homogenisierende Charakterisierung der Leserinnen vorzugehen. Darüber hinaus sollte ein sprachlicher Referenzrahmen geschaffen werden, der es ermöglicht, über den Tellerrand von Boys‘ Love hinauszublicken und die BL-Nutzung mit der Nutzung anderer Medien in Bezug zu setzen.
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Schlagworte
Boys‘ LoveComicFujoshiJapanJapanologieMangaMediennutzungMedienwissenschaftNutzenansatzShounen-AiSymbolischer InteraktionismusYaoiIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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