Andreas SchmidtkeDie kapitalmarktrechtliche Regulierung von Finanzanalyse und Rating-Urteil durch das Wertpapierhandelsgesetz
Eine Untersuchung unter Berücksichtigung nationaler, europäischer und internationaler Regulierungsbemühungen
Studienreihe wirtschaftsrechtliche Forschungsergebnisse, Band 144
Hamburg 2010, 462 Seiten
ISBN 978-3-8300-4937-1 (Print)
ISBN 978-3-339-04937-7 (eBook)
Zum Inhalt
Die kapitalmarktrechtlichen Neuerungen durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz (AnSVG) und seine europarechtlichen Vorgaben der Marktmissbrauchsrichtlinie einschließlich der Durchführungsbestimmungen sowie die durch das Bundesministerium der Finanzen erlassene Finanzanalyseverordnung (FinAnV) vom 17.12.2004 und der Verordnung zur Konkretisierung des Verbots der Marktmanipulation (MaKonV) vom 01.03.2005 veränderten schon vor der Subprime-Krise im Jahr 2007 in signifikanter Weise das bestehende Regelungsgefüge für Finanzanalysten und Rating-Agenturen. Diese umfangreichen Änderungen der kapitalmarktrechtlichen Pflichten für Finanzintermediäre werden ergänzt durch weitere finanzanalysespezifische Regelungen in der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID) sowie insbesondere in der Durchführungsrichtlinie zur MiFID, deren Umsetzung der deutsche Gesetzgeber unter anderem in dem Finanzmarkt- Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG) und der Änderung der FinAnV geleistet hat. Hinzu traten auf internationaler Ebene eine Reihe von auf Finanzanalysten und Rating-Agenturen zugeschnittenen Regulierungsbemühungen.
Ausgangspunkt der Regulierungswerke auf den unterschiedlichen Ebenen ist die Erkenntnis, dass Vertrauen in die Unabhängigkeit von Finanzanalysten und Rating- Agenturen sowie die Qualität ihrer Analysen, durch die das Verhalten von Millionen privater und institutioneller Anlegern beeinflusst wird, eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren des Kapitalmarktes darstellt.Mit einem von diesen Eckpfeilern getragenem kapitalmarktrechtlichen Regulierungskonzept in Bezug auf Finanzanalyse und Rating-Urteil antwortete der nationale und europäische Gesetzgeber sowie die internationale Gemeinschaft vor der Subprime- Krise dem von rechtstatsächlichen und rechtspolitischen Erwägungen begleiteten Ruf nach einem Ausbau des Regelungsrahmens für Finanzanalysten und Rating- Agenturen. Die Forderungen nach verhaltensleitenden und haftungsverschärfenden Interventionen waren laut geworden, nachdem eine Reihe von spektakulären Fehlentscheidungen sowie persönlichen Verfehlungen von Finanzanalysten und Rating-Agenturen in den letzen Jahren zu einem signifikanten Ver- trauensverlust der Anleger geführt hatte und das Bild der Akteure nachhaltig und in erheblicher Weise negativ färbte.
Ausgehend von den in der Finanzmarktkrise gesammelten Erkenntnissen, die die Bedenken insbesondere in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Rating-Agenturen weiter verschäft haben, erreichen die Regulierungsbemühungen für die Finanzmarktintermediäre in jüngerer Zeit eine neue Dimension. Während vor der Krise auch der Selbstregulierungsmechanismen und der reinigenden Kraft des Marktes das Wort geredet wurde, waren als Hauptverantwortliche für die Krise insbesondere die Rating-Agenturen ausgemacht. Im Mittelpunkt der Kritk stand der Vorwurf, dass die Rating-Agenturen bei der Bewertung von komplexen Finanzprodukten teilweise „sehenden Auges“ versagt haben. Ihnen wird vorgeworfen, erheblich zu dieser Krise beigetragen zu haben, da sie die Risiken strukturierter Kredit- und Subprime-Produkte unterschätzt und ihre Ratings den verschlechterten Marktbedingungen nicht unverzüglich angepasst haben. Teilweise fielen die Rating-Bewertungen im Bereich der strukturierten Finanzprodukte in einem einzigen Schritt von der höchsten Qualitätsstufe (AAA) unterhalb des Investmentgrade-Bereichs. Plakativ auf den Punkt gebracht, bedurfte es einer Krise der Finanzmärkte von historischem Ausmaß, um das favorisierte Selbstregulierungsregime für den Ratingmarkt aufzugeben.
Vor allem in den USA wurde infolgedessen der Ruf nach einer zügigen Regulierung laut. Auf internationaler und europäischer Ebene führte dies zu einer Reihe von Regulierungsmaßnahmen, die in dieser Arbeit aufbereitet werden sollen. Die Diagnose einer fortwährenden „Kapitalmarktrechtsreform in Permanenz“ aufgreifend möchte sich die vorliegende Arbeit einer Untersuchung und Ausformung des mit den vorgenannten kapitalmarktrechtlichen Regulierungsbemühungen geschaffenen Regelungsrahmens widmen und die Frage beantworten, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang die darauf gerichteten Anstrengungen zu einer Sicherstellung der Verlässlichkeit von Finanzanalysen und Rating-Urteilen beitragen bzw. diese gewährleisten. Dabei wird die Untersuchung insbesondere auf dem Ansatz aufbauen, das Verständnis für die bestehenden kapitalmarktrechtlichen Regulierungsbemühungen aus einer Zusammenschau von Rating-Agenturen und Finanzanalysten zu gewinnen.
Eine Bestandsaufnahme der wissenschaftlichen Arbeiten in dem hier interessierenden Bereich hat gezeigt, dass eine parallel angelegte Untersuchung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Finanzanalysten und Rating-Agenturen bisher noch nicht Gegenstand einer vertiefenden Auseinandersetzung gewesen ist. In den letzten Jahren hat sich die Literatur verstärkt einer Aufbereitung der haftungsrechtlichen Problemkreise im Zusammenhang mit der Finanzanalyse einerseits und dem Rating-Urteil andererseits gewidmet. Darüber hinaus finden sich inzwischen weitere Untersuchungen mit rechtsvergleichenden Fragestellungen im Bereich der Finanzanalyse, die sich jedoch größtenteils nur auf Ausfüh- rungen zu der Vorschrift des § 34b WpHG beschränken. Für Rating-Agenturen fehlen gänzlich vertiefende Ausführungen zu der Frage, inwiefern diese Kapitalmarktkommunikatoren durch das WpHG schon einer gesetzlichen Regelung zugeführt worden sind.
Das zu untersuchende Regelungsfeld der bestehenden kapitalmarktrechtlichen Verhaltensregeln für die Akteure ist durch internationale Regulierungsbemühungen, europäische Regelungsvorgaben und die Umsetzung derselben durch das WpHG auf nationaler Ebene abgesteckt. Die nachfolgende Untersuchung nimmt ihren Anfang in einer Darstellung der ökonomischen Grundlagen in Bezug auf Finanzanalysten und Rating-Agenturen. Dabei soll insbesondere mit funktionalen Überlegungen der von den Akteuren geleistete Beitrag zu einem funktions- und leistungsfähigeren Kapitalmarkt nachvollzogen sowie die Arbeitsweise und -methodik von Finanzanalysten und Rating-Agenturen beleuchtet werden. Der gewählte Untersuchungsansatz soll in einem darauf aufbauenden Schritt über rechtstatsächliche Überlegungen fundiert werden, an denen sich die Ausformung eines Verständnisses der jeweiligen Regulierungsbemühungen orientieren wird.
Mit diesem Fokus soll der Frage nachgegangen werden, welche Konflikte im Zusammenhang mit der Finanzanalyse und dem Rating-Urteil bestehen, auf welches Prinzip sich diese zurückzuführen sind und ob sich gemeinsame Konfliktlinien für Finanzanalysten und Rating-Agenturen herausarbeiten lassen. Nach diesen praktischen Überlegungen soll der Rahmen einer kapitalmarktrechtlichen Regulierung in dem hier interessierenden Bereich aus theoretischer Sicht beleuchtet werden mit dem Ziel, allgemeine Regelungsprinzipien identifizieren zu können, die ebenfalls bei der Entwicklung eines Verständnisses für den Regelungsrahmen zu beachten sind. Zu diesem Zweck werden die Ziele einer Regelung, die regelungsspezifischen Besonderheiten in dem Bereich der Finanzanalyse und des Rating-Urteils sowie die denkbaren Regulierungsansätze für Finanzintermediäre sowie deren Sanktionsmöglichkeiten aufgezeigt, Die Sicherstellung der Verlässlichkeit von extern kommunizierten Unternehmensbewertungen durch Finanzanalysten und Rating-Agenturen wird zunehmend auf internationaler Ebene betrieben.
Ziel dieser bereits angesprochenen Bemühungen ist es, neben einer Mindestregulierung für Finanzanalysten und Rating-Agenturen eine Mindestharmonisierung des Regulierungsrahmens zu erreichen. Aus diesem Grund soll der Blick auch auf internationale Regelungsbemühungen gerichtet werden. Der heutige nationale Rechtsrahmen ist allein unter Betrachtung der europäischen Ebene zu verstehen und wird maßgeblich durch europäische Vorgaben vorgezeichnet. Deshalb wird die Darstellung dieser Vorgaben integraler Bestandteil einer Auseinandersetzung mit den jeweils einschlägigen nationalen Vorschriften sein und insbesondere bei der Untersuchung des nationalen Rechts besondere Berücksichtigung erfahren.
Kapitalmarktrechtliche Regelungen des WpHG lassen sich nicht den klassischen Feldern Privatrecht und Öffentliches Recht einschließlich Strafrecht zuordnen, sondern liegen „quer“ zu diesen Bereichen. Diesem Sachverhalt wird in der Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen insoweit Rechnung getragen, als die Bereiche der Regelungen des § 34b WpHG, der insiderrechtlichen Regelungen der §§ 14 ff WpHG und der Regelungen der Marktmanipulation im Sinne des § 20a WpHG en block behandelt werden und die Bezugspunkte zu den klassischen Feldern jeweils in den einzelnen Normen hergestellt werden. Eine abschließende Schlussbetrachtung mit Ausblick wird die wesentlichen Erkenntnisse noch einmal zusammenfassen.
Mit Blick auf die Weite des Untersuchungsfeldes ist eine Themeneingrenzung unabdingbar. Die vorliegende Arbeit möchte sich allein den rechtlichen Rahmenbedingungen für Finanzanalysten und Rating-Agenturen widmen, die im Zusammenhang mit einer Verbreitung an einen unbestimmten Personenkreis stehen. Die Finanzanalyse im bilateralen Kundenverhältnis muss demnach aus- geklammert werden. Das insoweit abgesteckte Thema ist nicht nur der oben genannten Parallelität des Untersuchungsansatzes geschuldet. Die hier interessierende Analyse, die an einen unbestimmten Personenkreis gerichtet ist, eröffnet andere Frage- und Problemstellungen als eine Untersuchung individueller Wertpapierdienstleistungen.
Die Eingrenzung erscheint insofern sachdienlich. Im Übrigen muss der Gefahr der Uferlosigkeit der Bearbeitung Rechnung getragen werden. Der hier gewählte Ansatz, die Finanzanalyse und das Rating-Urteil parallel zu betrachten, bedingt zudem, dass eine Darstellung der besonderen Regelungen in Bezug auf die Erbringung von Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen auf die Bereiche begrenzt bleiben muss, die eine (finanz-)analysespezifische Relevanz aufweisen. Schließlich soll die rechtliche Auseinandersetzung mit auf Emittentenseite für die Kapitalmarktkommunikation zuständigen Mitarbeiter, wie die Investor-Relations-Manager und Vorstände sowie das von den Emittenten und deren Vertriebspartnern eingesetzte Marketing, Werbe- und sonstige Informationsmaterial zur Vertriebsunterstützung aus der Untersuchung ausgeklammert werden. Die Unterschiede zu den Finanzanalysten und Rating-Agenturen wären größer als die Gemeinsamkeiten. Der oben genannte Personenkreis zeichnet sich – im Gegensatz zur Unabhängigkeit der Finanzintermediäre – in erster Linie durch die Verpflichtung zum Wohl des Unternehmens aus. Diese Eingrenzungen sollen insbesondere eine vertiefende, schwerpunktorientierte Darstellung der kapitalmarktrechtlichen Regulierung in Bezug auf Finanzanalyse und Rating-Urteil durch das Wertpapierhandelsgesetz ermöglichen.
Schlagworte
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