Dissertation: Orgelbewegung in der DDR

Orgelbewegung in der DDR

Betrachtung eines konträren wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Umfeldes von 1945 bis 1990

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Studien zur Musikwissenschaft, Band 17

Hamburg , 350 Seiten

ISBN 978-3-8300-4627-1 (Print) |ISBN 978-3-339-04627-7 (eBook)

Rezensionen

[...] Insgesamt gilt dieser mutigen, geschichtsträchtigen und aufschlussreichen Arbeit aller Respekt. Es lohnt sich unbedingt, dieses Buch, das sich quasi als Zeitdokument darstellt, zu studieren. [...] [...] In der gesamten Publikation steckt eine äußerst akribische Fleißarbeit, die man besonders bei dem wertvollen Anhang mit zahlreichen Dokumenten spürt. Neben Reflexionen an ausgewählten Orgeln werden im Wortlaut bisher nicht zugängliche Dokumente zur Wirtschafts- und Kulturpolitik, zur Religions- und Kirchenpolitik und zur Organisation der volkseigenen Orgelbaubetriebe der DDR wiedergegeben. Außerdem versucht Voigt, alle von 1945 bis 1990 in der DDR entstandenen Orgelkompositionen inklusive ihres Drucks und etwa produzierter Tonträger aufzulisten. [...]

Felix Friedrich in: Ars Organi, H. 1 (2010)

Ein bemerkenswertes, informatives Buch! [...]

Christoph Albrecht in: Musik & Kirche, Mai/Juni 2010, Nr. 3, S. 204f.


Zum Inhalt

Orgelbewegung – eine weitere Bewegung in der DDR?

Markus Voigt, Jahrgang 1960, ist aus seiner Biographie geradezu prädestiniert zum Thema eine Forschungsarbeit vorzulegen. Aufgewachsen „im“ familiären Orgelbaubetrieb in Bad Liebenwerda/DDR, legte er mit der Ausbildung zum Anlagentechniker in einem sozialistischen Großbetrieb 1980 gleichzeitig die Prüfung zum Abitur ab – der direkte Bildungsweg über die Erweiterte Oberschule blieb auf Grund der politischen Gesinnung verwehrt. Mit – als einzig straffrei mögliche Verweigerung – dem Wehrdienst als Bausoldat im Einsatz als Hausmeister in der Kommandozentrale des nördlichen Militärbezirkes und konfrontiert mit ständiger Stasi-Überwachung lernte er das herrschende politische System aus einer weiteren Perspektive kennen. Das Studium der Kirchenmusik mit A-Prüfung 1987 prägte die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Instrument Orgel, als dessen Erbauer er nach weiterem Fachabschluss im Jahr 2002 die Meisterprüfung bestand. Zahlreiche Aufsätze und technische Entwicklungen für die Orgel, dazu die Erfahrung aus Softwareentwicklung, das daraus resultierende fundierte Wissen über betriebswirtschaftliche Zusammenhänge und die Leitungstätigkeit im Familienbetrieb bilden die Basis für diese Studie. Die klanglichen Aufzeichnungen und die verbalen Beschreibungen der spezifischen Stilistik dokumentieren Firmenphilosophien dieser Zeit und Region auch für zukünftige Generationen.

Ist die Orgelbewegung in ihrer III. Phase nach 1945 eine spezifisch West-Deutsche Erscheinung? Gab es in der DDR eine andere parallele Entwicklung, gab es überhaupt eine Interferenz oder gar einen Disput zwischen Orgelbauern, Organisten und Komponisten? Wie hat sich ein „auf den Kopf gestelltes“ Wirtschaftssystem ausgewirkt, und inwieweit wurde die Orgel in der DDR durch das säkulare politische System in den Hintergrund gedrängt? Diesen Fragen nachzugehen ist lohnenswert und scheint ergebnisoffen. Vor dem Hintergrund erst heute deutlich werdender, zum Teil völlig unterschiedlicher moralischer, ideologischer und auch kultureller Prägungen fast zweier Generationen in Ost und West, ist eine Untersuchung jedoch auch dringend notwendig.

Ein Fachbuch für den Orgelkundigen – in erster Linie. Darüber hinaus vielmehr ein Beispiel, wie das Wirken eines spezifischen Arbeitsfeldes einer Gruppe in einem bald nicht mehr verifizierbaren Umfeld aufgearbeitet werden sollte.

Erst in diesem Kontext wird erlebbar, was die Menschen in der DDR wieder in die Kirchen strömen lässt. Ist es mehr als unterdrückte Religiosität und worauf basiert ein scheinbar hohes kulturelles Interesse? 20 Jahre nach dem Mauerfall sind diese Phänomene fast vergessen und für manchen Ideologen verdrängt.

Die „umfängliche Arbeit zur neobarocken Orgelbewegung auf dem Gebiet der DDR bemüht so ziemlich alles, was sich mit dem Orgelbau in der DDR in Verbindung bringen lässt.“1 ... schreibt einer der damaligen Betriebsleiter zum Buch. Dargestellt werden zunächst die wichtigsten Aspekte zur Geschichte der Orgelbewegung. Darauf wird die wirtschaftliche Situation, in der die Orgelbaubetriebe eingegliedert waren, behandelt. Es folgen kulturelle und politische Aspekte: Die Instrumente sind für den staatlichen und für den kirchlichen Bereich entstanden. Welche Interaktionen mit der SED-Diktatur und der Stasi haben hier gewirkt? Wie und wo war eine solche Branche für dieses Ministerium interessant und inwieweit ist die weitere Entwicklung davon geprägt? Dem Verständnis der zahlreichen Querverbindungen hilft ein ausführlicher Dokumentenanhang zu jedem dieser Kapitel. So wird der Leser vor allem auch emotional in die Lage versetzt, das Entstehen von Orgeln in der DDR nach zu erleben.

Weitere Schlüsse können aus der Aufarbeitung eines Gesamtwerkverzeichnisses des Orgelbaus der DDR gezogen werden. Erstmalig werden hier alle von Firmen der DDR für das Gebiet der DDR gebauten Orgeln zu Grunde gelegt. Exemplarisch werden einzelne Orgeln in Wort und Audiodatei dokumentiert und so zu historischen Dokumenten eines in der Zwischenzeit bereits wieder veränderten Klangbildes.

In welchen Selbstverständlichkeiten der Intonateur gelebt hat, vor welchem Hintergrund der Orgel(-konzert)-Boom mit zahlreichen großen Kompositionen der 70er-Jahre gewachsen ist wird nachvollziehbar. Aus diesen Aspekten sind Zusammenhänge zu erwarten, die in Summarum und im Detail manche Klangfarbe differenzierter beschreiben und Gleichzeitig den Hintergrund für Divergenzen liefern.

Eine Zusammenfassung aus geführten Interviews mit relevanten Persönlichkeiten aus dem gesamtdeutschen Gebiet rundet das Bild über die erlebte Orgelbewegung ab.

Ein Fachbuch nur für Organologen? Auf jeden Fall mehr. Der geübte Laie wird hineingenommen in ein soziologisches Umfeld und lernt den Hintergrund für das Entstehen eines Musikinstrumentes in der DDR kennen.

„... an dieser Stelle möchte ich Sie [...] zu Ihrer profunden Arbeit ganz herzlich beglückwünschen und auch dafür danken, dass Sie damit vielen uneigennützig, kreativ und fleißig für unser Instrument wirkenden Menschen unter den schwierigen Bedingungen des ‘real existierenden Sozialismus auf deutschem Boden‘ in gewisser Hinsicht ein Denkmal errichten. [...]

Die Lektüre verlief etwas anders als ich mir das zunächst vorgestellt hatte: Ich wollte ‘in aller Ruhe‘ so 30-40 seitenweise mich der Sache annehmen. Das ging dann aber plötzlich ganz anders los und nach nur 2 Tagessitzungen bin ich schon fertig! Warum? – Die Lektüre ist spannend! Ich habe wirklich Ihr Manuskript mit großer Spannung gelesen. Als Betroffener in mehrfacher Hinsicht – DDR-Bürger von Anfang bis Ende – Orgelbauer mit Leitungsfunktion – Reisekader usw. habe ich vieles gefunden, was sich mit meinen Erfahrungen absolut deckt und manches, Dank der umfänglichen Anhänge und Quellenangaben, noch dazu gelernt.“2

1Auszug aus einem Brief an den Autor von Gerhard Spallek, Betriebsleiter Fa. Sauer 1966-90, Frankfurt/Oder im Oktober 2008

2Brief an den Autor von Max Thiel, Betriebsleiter Fa. A. Schuke 1979-89, Potsdam im April 2009

Link des Autors

www.orgelbau.de

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