Tim Benedikt HeßlingAuflösung jüdischer Haushalte im „Dritten Reich“
Zur „Arisierung“ in Bayerisch Schwaben: Augsburg und Fischach
Rechtsgeschichtliche Studien, Band 81
Hamburg 2018, 328 Seiten
ISBN 978-3-339-10252-2 (Print)
ISBN 978-3-339-10253-9 (eBook)
Zum Inhalt
Der Begriff der „Arisierung“ bezeichnete im Jargon der Nationalsozialisten den Verdrängungsprozess ab dem Jahr 1933, mit welchem die deutschen Juden aus dem Wirtschafts- und Berufsleben entfernt wurden. Diese Vorgänge wurden in der nationalsozialistischen Rhetorik häufig auch „Entjudung“ genannt und umfassten sowohl die oben angesprochenen Einschränkungen der Berufstätigkeit der deutschen Juden als auch die Enteignung von jüdischen Vermögen zugunsten der „arischen“ Mehrheitsbevölkerung in Deutschland. Häufig wurden diese Begriffe auch in Gesetzen, Verordnungen, amtlichen Schreiben und Gesetzeskommentierungen dieser Zeit verwendet.
Ende des Jahres 2013 wurde die Thematik der „Arisierung“ vor allem durch den spektakulären Fall des Kunsthändlers Cornelius Gurlitt (1932-2014) wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein gerufen: Der Vater von Cornelius Gurlitt, Hildebrand Gurlitt (1895-1956), der ebenfalls als Kunsthändler arbeitete, wurde 1938 von Joseph Goebbels damit beauftragt, wertvolle Kunstwerke, welche die Nationalsozialisten als „entartet“ betrachteten, gewinnbringend ins Ausland zu verkaufen. Die von Hildebrand Gurlitt gehandelten Kunstwerke stammten oft aus beschlagnahmtem Museumsbesitz, wurden aber auch in vielen Fällen im Wege der „Arisierung“ jüdischen Kunsthändlern und Familien zwangsweise entzogen. Nach Kriegsende war Hildebrand Gurlitt wieder als Kunsthändler tätig, und hatte offensichtlich viele „arisierte“ Werke, die er in seiner Tätigkeit als offizieller Kunsthändler des nationalsozialistischen Regimes erworben hatte, in seinem Privatbesitz belassen. An die 1.500 dieser Kunstwerke wurden im Frühjahr 2011 als „Zufallsfund“ bei staatsanwaltlichen Durchsuchungen der Münchner Wohnung von Hildebrand Gurlitts Sohn Cornelius entdeckt.
Im Jahr 2013 wurde darüber hinaus eine in der Presse sehr kontrovers diskutierte Biographie des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Hinrich Wilhelm Kopf (1893-1961) veröffentlicht. Kopfs Biographin, die Historikerin Teresa Nentwig, setzte sich ausführlich mit Kopfs Rolle bei der „Arisierung“ von Grundbesitz und Betriebsvermögen auseinander. Die Autorin warf Hinrich Kopf vor, sich, nach der Demission als sozialdemokratischer Landrat 1934, mit seinem in Berlin gegründeten Finanz- und Immobilienunternehmen am Verkauf und der Verwaltung enteigneten jüdischen Eigentums bereichert zu haben.
Die Studie beschäftigt sich ebenfalls mit der „Arisierung“ während der Zeit des „Dritten Reichs“: Im Folgenden werden die allgemeinen gesetzlichen Grundlagen und staatlichen Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes dargestellt und damit die Funktionsweise der systematischen „Arisierung“ des Eigentums der jüdischen Bürger in Hitlerdeutschland aufgeschlüsselt. Der Fokus soll dabei nicht auf die gewerblichen „Arisierung“ gesetzt werden, sondern auf die „Privatarisierung“, insbesondere auf die Vertreibung der Juden aus ihren Wohnungen und Eigenheimen sowie der Auflösung jüdischer Haushalte.
Im Rahmen dieser Studie werden daher zunächst die „großen“ Linien des gesetzlichen Rahmens der „Arisierung“ dargestellt, um in späteren Kapiteln die Auswirkung dieser Maßnahmen auf einer regionalen Ebene zu betrachten. Auch wird sich ein eigenes Kapitel dem Miet- und Steuerrecht in der Zeit zwischen 1933 und 1945 widmen, da insbesondere diese beiden Rechtsgebiete für die Betroffenen der „Arisierung“ meist umfassende und direkte Auswirkungen hatten.
Als regionale Beispiele werden der Ablauf und die Organisation der „Arisierung“ in der Stadt Augsburg sowie im kleinen Ort Fischach, etwa 30 Kilometer von Augsburg gelegen, miteinander verglichen. Insoweit soll diese Studie Unterschiede und Gemeinsamkeiten der antisemitischen Maßnahmen auf „städtischer“ sowie „dörflicher“ Ebene herausarbeiten und umfassend darstellen. Auch soll aufgezeigt werden, welche Institutionen und Einzelpersonen von der Auflösung der jüdischen Haushalte profitierten. Die Studie schließt mit der Darstellung von vier Einzelschicksalen von betroffenen jüdischen Bürgern aus Augsburg, Fischach und München, um exemplarisch aufzuzeigen, wie sich der Gesamtprozess der „Arisierung“ auf einzelne Personen auswirkte.
Schlagworte
ArisierungDrittes ReichGeschichte der Juden in DeutschlandHaushaltRechtsgeschichteRechtswissenschaftRegionalgeschichte AugsburgRegionalgeschichte Bayerisch-SchwabenRegionalgeschichte FischachIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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