Evelyn GörlacherZwischen Ordnung und Chaos
POETICA – Schriften zur Literaturwissenschaft, Band 27
Hamburg 1997, 208 Seiten
ISBN 978-3-86064-656-4 (Print)
Zum Inhalt
Lachen scheint vertraut, es ist ein alltägliches Phänomen der Lebenswelt. Doch wie kommt es in die Literatur, und welche Bedeutung hat es dort? Diesen Fragen widmet sich dieser Band, der das Lachen in der zeitgenössischen Literatur als Grenzmarke zwischen Ordnung und Chaos situiert, als Ausgangspunkt einer dialektischen Dynamik zwischen Sinn und Un-Sinn. In den Theorien zum Phänomen des Lachens stehen sich zwei Positionen gegenüber. Auf der einen Seite wird es als soziales Korrektiv betrachtet, das die bestehende Ordnung affirmiert und stabilisiert. Auf der anderen Seite wird dem Lachen hingegen subversive Potenz zugeschrieben. Als ein Ausdruck, an dem Geist und Körper beteiligt sind, der daher weder vollständig kontrollierbar noch mit rationalen Kategorien allein zu erfassen ist, kann es als ein vom Körper ausgehender Angriff auf die Herrschaft der Vernunft und die Hierarchien der logozentristischen Ordnung erscheinen.
Diese Auffassung des Lachens, die es als subversives, dekonstruktives Phänomen begreift, dominiert vor allem in der neueren (Literatur-)Theorie. Gleichzeitig betonen deren Ansätze auch die marginale Position der Frau in der symbolischen Ordnung, die literarische Versuche der Subversion und Dekonstruktion des Logozentrismus geradezu herausfordert. Literatur von Frauen wird also zum Kristallisationspunkt, in dem sich die Beziehung von Lachen und Subversion auf verschiedensten Ebenen spiegeln kann.
Nach einer Diskussion exemplarischer Aspekte der Theorien über das Lachen unter den Stichworten "Kunst", "Körper" und "Frau" verfolgt die Studie die Spuren des Lachens in vier zeitgenössischen Texten, Ingeborg Bachmanns Der Fall Franza, Irmtraud Morgners Amanda. Ein Hexenroman, Christa Wolfs Kassandra und Elfriede Czurdas Die Giftmörderinnen. In Bachmanns Fragment wird das Lachen zur "Einfallsstelle der Dekomposition". Mit dieser Positionierung setzen sich die anderen, jüngeren, Texte produktiv auseinander. Irmtraud Morgner thematisiert den Zusammenhang von Lachen, Schreiben und Erinnerung, Christa Wolf entwickelt ein dichotomisches Modell, in dem das "lächelnde Lebendige" für die Utopie steht, und Elfriede Czurda lässt ihre Protagonistin mit Lachen und Mord gegen das Symbolische aufbegehren. In den Interpretationen stellt sich heraus, dass die Struktur des dargestellten Lachens mit den angewandten Schreibverfahren - auf höchst unterschiedliche Weise allerdings - korreliert. Das Lachen geht in die Struktur der Texte ein. Seine Analyse leistet so einen entscheidenden Beitrag zum Textverständnis.
Schlagworte
ChaosFrauenliteraturLachenLiteraturLiteraturwissenschaftPostmodernePoststrukturalismusSubversionTheorie des LachensIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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