Dissertation: Die Bedeutung des palästinensischen Flüchtlingsproblems während des Kalten Krieges in Syrien (1948–1956)

Die Bedeutung des palästinensischen Flüchtlingsproblems während des Kalten Krieges in Syrien (1948–1956)

Studien zur Konflikt- und Friedensforschung, Band 8

Hamburg , 306 Seiten

ISBN 978-3-8300-6073-4 (Print)

ISBN 978-3-339-06073-0 (eBook)

Zum Inhalt

Das Werk stellt einen ersten Versuch dar, die palästinensische Flüchtlingsfrage neu zu interpretieren, indem diese als globaler Konflikt des Kalten Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion betrachtet wird. Erstmals wird untersucht, welche Konsequenzen die Umsiedlungsprojekte der US-Administrationen unter Truman und Eisenhower zur Lösung des palästinensischen Flüchtlingsproblems für Syrien hatten.

Mit Beginn des Kalten Krieges, der ideologischen Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika auf der einen Seite und der Sowjetunion auf der anderen Seite, rückte der Nahe und Mittlere Osten in den Mittelpunkt des Interesses beider Staaten. Der Nahe und Mittlere Osten befand sich in geographischer Nähe zur Sowjetunion und war daher für die USA von größtem militärischen Interesse. Zusätzlich wollten die USA mithilfe des Marshall-Plans den Wiederaufbau Europas und Japans nach dem 2. Weltkrieg finanzieren – einen Wiederaufbau, der den Einfluss des kommunistischen Regimes in Westeuropa unterbinden sollte. Mit der Gründung des Staates Israel entstand für die USA ein natürlicher Partner, den es zu verteidigen galt, und zwar nicht nur gegen die Avancen der Sowjetunion, sondern insbesondere auch gegen seine arabischen Feinde.

Mit Ende des Krieges von 1948 befanden sich Millionen Palästinenser auf der Flucht, die zunächst Hilfe in den arabischen Nachbarstaaten fanden. Nach dem Ende der Kriegshandlungen drängten diese Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre alte Heimat, eine Rückkehr, die ihnen die israelische Regierung jedoch konsequent verweigerte. Israel befürchtete eine innere Instabilität und die Zerstörung des jüdischen Charakters des jungen Staates. Die Zahl der Flüchtlinge stieg in den letzten Jahren auf über vier Millionen Menschen an und ist somit eines der größten, für die Vereinten Nationen zu lösenden Flüchtlingsprobleme.

Zwar wurde den palästinensischen Flüchtlingen eine Rückkehr in die alte Heimat garantiert, doch basiert diese Garantie auf Gesetzen, die nach dem internationalen Recht nicht bindend sind. Dennoch haben sich die Mitgliedsstaaten der UNO bereiterklärt, sich den Gesetzen zu beugen. Die Palästinenser setzen ihre ganze Hoffnung auf eine Rückkehr nach Artikel 13 der Universal Declaration of Human Rights. Dieser Artikel garantiert Flüchtlingen die Rückkehr in ihre Heimat.

Gegner der Rückkehr, insbesondere aus Israel und den Vereinigten Staaten, ignorieren die Resolution 194 (III) jedoch und berufen sich dabei auf den Vorschlagscharakter der Resolution 194 (III), die eben nicht bindend sei. Zusätzlich wird die Lage durch die Formulierung des § 11 der Resolution zusätzlich erschwert. Da hier nur die Rückkehr von friedfertigen Palästinensern erlaubt werden soll, argumentieren besonders Israelis, dass die Absicht der Palästinenser die Zerstörung des israelischen Staates sei. Man beruft sich hierbei in der Regel auf die Aussage des ehemaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser aus dem Jahr 1961: „If the Arabs will return to Israel – Israel will cease to exist in the world.”

Der Inhalt der Aussage ist nicht geeignet, ihn einfach von sich weisen zu können. Eine vollständige Rückkehr der Palästinenser würde nicht nur den Charakter eines jüdischen Staates grundlegend verändern, sondern die israelischen Staatsbürger zur Minderheit in ihrem eigenen Staat degradieren. Diese Tatsache würde dann zwangsläufig zu innenpolitischen Schwierigkeiten und mit Sicherheit zu gewaltsamen Zusammenstößen führen.

Eine Lösung nach amerikanischem Muster sah vor, alle Flüchtlinge in die arabischen Nachbarländer umzusiedeln, da sie laut einer Studie des US-Kongresses von 1958 so in eine ihnen bekannte Kultur und Gesellschaft integriert werden konnten. Neben dieser Studie wurde in den 50er Jahren betont, dass die Hälfte der Flüchtlinge zu jung war oder gar in den Flüchtlingslagern geboren wurde und somit eine Rückkehr in die alte Heimat nicht mehr möglich sei. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die US-Regierung eine Rückkehr der Flüchtlinge verhindern wollte. Die Darstellung der Flüchtlinge als Araber und nicht mehr als Palästinenser macht deutlich, dass die Vertriebenen nicht mehr zu einer Bevölkerungsgruppe gezählt wurden und ihnen somit das Recht auf Selbstbestimmung genommen wurde.

These

Eine der wichtigsten Fragen im israelisch-palästinensischen Konflikt, für die bislang noch keine akzeptable Antwort gefunden wurde, dreht sich um das palästinensische Flüchtlingsproblem. Eine umfassende historische Aufarbeitung für den Zeitraum von 1948 bis 1956 hat nicht stattgefunden.

In der heutigen Forschung wird das palästinensische Flüchtlingsproblem nicht als ein Teil des Kalten Krieges erörtert. Die Flüchtlingsfrage wird bislang nur als ein Teil des israelisch-arabischen bzw. israelisch-palästinensischen Konflikts betrachtet und somit als ein regionaler Konflikt verstanden. Löst man sich von der bisher gängigen Forschung und betrachtet man das Flüchtlingsproblem als globalen Konflikt im Nahen Osten, lässt sich erkennen, dass diese Umsiedlungspolitik der USA zur politischen Destabilisierung Syriens führte. Die Auswirkungen auf den syrischen Staat erlauben die Schlussfolgerung, dass die USA die politische Landschaft des Nahen Ostens nach dem ersten arabisch-israelischen Krieg nicht verstanden hatten. Ihrer Überzeugung nach galt es das palästinensische Flüchtlingsproblem zu lösen, welches sie als Hauptkonfliktpunkt in einem regionalen Konflikt einordneten, um die politische Stabilität der Region wieder herzustellen. Jedoch war die eigentliche Instabilität der Region mit dem Ende der europäischen Kolonialzeit verbunden und dem daraus resultierenden innerarabischen Konflikt, also der Schaffung von Machträumen.

Der vorliegende Band stellt einen ersten Versuch dar, die palästinensische Flüchtlingsfrage neuzuinterpretieren, indem sie als globaler Konflikt des Kalten Krieges zwischen der USA und der Sowjetunion betrachtet wird. Eine historische Untersuchung zu den Auswirkungen der amerikanischen Umsiedlungspolitik auf den Staat Syrien zwischen 1948 und 1956 fehlt bisher in der Forschung völlig. Die vorliegende Forschungsarbeit entwickelte sich aus dem Interesse an den Motiven und den Entscheidungen der Supermacht USA während des Kalten Krieges in der sogenannten „Dritten Welt“ und dem furchtbaren Umstand des bis heute bestehenden palästinensischen Flüchtlingsproblems. Das Buch soll eine kontroverse Debatte anstoßen über die Tragweite des Flüchtlingsproblems im internationalen Kontext des Kalten Kriegs.

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