Dissertation: Gewalterfahrungen von Männern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften

Gewalterfahrungen von Männern in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften

Einblick in ein tabuisiertes Problemfeld. Eine Studie zu traumatischen Erfahrungen und Folgeschäden

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Studienreihe psychologische Forschungsergebnisse, Band 156

Hamburg , 290 Seiten

ISBN 978-3-8300-5499-3 (Print) |ISBN 978-3-339-05499-9 (eBook)

Zum Inhalt

Gewalt in Intimpartnerschaften stellt generell ein stark tabuisiertes und durch vielfältige Fehlannahmen belastetes Problemfeld dar. Internalisierte und tief sitzende Geschlechterstereotype erschweren es, auch Frauen als Täterinnen und Männer auch als Opfer wahrzunehmen. Gewalt in der Partnerschaft wird daher immer noch vorwiegend als ein Problem von Frauen in heterosexuellen Beziehungen beschrieben und im Rahmen von Studien und gesundheitspolitischen Maßnahmen thematisiert. Große epidemiologische Erhebungen zeigten übereinstimmend, dass weltweit ein Viertel der Frauen traumatische Gewalt in ihren Beziehungen erleben – Untersuchungen zu den gesundheitlichen Folgen haben ein hohes Vorkommen schwerwiegender psychischer Erkrankungen, v.a. von Posttraumatischen Belastungsstörungen, komorbiden Beschwerden und komplexen Störungsmustern belegt. Die Forschungslage zu Männern ist bislang kaum entwickelt. Ersten Beobachtungen und neueren Studien aus dem angloamerikanischen Raum zufolge, entspricht das Gewaltvorkommen in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften dem heterosexueller Frauen: Demnach scheint jede vierte Beziehung betroffen zu sein. Dennoch sind bisher weder gesundheitliche Folgeschäden systematisch untersucht, noch spezifische Unterstützungs- und Hilfssysteme für homosexuelle Männer etabliert worden. Für Deutschland liegen bisher keine Daten vor.

Diese Pilotstudie dokumentiert ausführlich den aktuellen Forschungsstand zu traumatischer Gewalt in hetero- und homosexuellen Intimbeziehungen und untersucht anhand einer Befragung betroffener Männer Viktimisierung in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften sowie gesundheitliche Folgeschäden und Bewältigungsbemühungen im Kontext der modernen Psychotraumatologie-Forschung.

An der Befragung beteiligten sich 55 Männer, die im Mittel 31 Jahre alt waren und 4 Jahre in einer Missbrauchsbeziehung gelebt hatten. Ein Viertel berichtete über mehrere destruktive Partnerschaften. Fast die Hälfte wurde bereits im Kindesalter Opfer sexueller und körperliche Misshandlungen. 42 % hatten Erfahrung mit Psychotherapie. Alle Männer hatten massive Bedrohung und körperliche Angriffe durch ihre Partner erlebt. Mehr als ein Drittel hatte sexuelle Gewalt erlitten, wobei 5% zu ungeschütztem Sexualverkehr mit einer HIV-infizierten Person gezwungen wurden. Ein Großteil trug körperliche Verletzungen davon und durchlebte intensive Gefühle von (Todes-)Angst. Bei 27% wurde eine vollausgeprägte, bei 11% eine partielle Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) festgestellt. Als wichtige Indikatoren für das PTBS Erkrankungsrisiko erwiesen sich die Variablen „körperliche Verletzungen“ und „Alexithymie“ – als Indikatoren für sehr schwerwiegende Gewalt und Defizite zentraler Bewältigungsbemühungen bei traumatischen Erlebnissen –, sowie Misshandlungen in der Kindheit. Im Hinblick auf komorbide Beschwerdemuster und Bewältigungsfähigkeiten wurden sehr bedeutsame negative Abweichungen zur altersgleichen männlichen Allgemeinbevölkerung festgestellt. Darüber hinaus werden die Ergebnisse u.a. im Vergleich mit Befunden für gewaltbetroffene homo- und heterosexueller Frauen, die ebenfalls schwer traumatisiert waren und anhand ähnlicher Erhebungsinstrumente befragt wurden, diskutiert.

Fazit: Die Studie zeigt, dass auch Männer Opfer von Beziehungsgewalt werden, dass Gewalt auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften auftritt und ähnliche Formen und Folgen hat wie in heterosexuellen. Häufig werden solche Erfahrungen und die gravierenden gesundheitlichen Folgeschäden von den Betroffenen - von Jungen und Männern vermutlich noch stärker als von Mädchen und Frauen – verschwiegen und heruntergespielt und können so u.a. nicht wirksam verfolgt und behandelt werden. Beziehungsgewalt sollte daher bei der Polizei, in Notaufnahmen und diagnostischen Vorgesprächen offen thematisiert werden. Wichtig scheint auch die Integration dieser Perspektive in die weitere Forschung, klinische Praxis und Ausbildung von Fachleuten.

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