Doktorarbeit: Die Anti-Terrorismusgesetzgebung und ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht

Die Anti-Terrorismusgesetzgebung und ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht

unter besonderer Berücksichtigung der Anti-Terrorismuspakete I und II, des Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetzes sowie des Gemeinsame-Dateien-Gesetzes und des Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes

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Verfassungsrecht in Forschung und Praxis, Band 126

Hamburg , 380 Seiten

ISBN 978-3-8300-9227-8 (Print)

ISBN 978-3-339-09227-4 (eBook)

Zum Inhalt

Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus ist nach den Anschlägen des 11. September 2001 in New York City und Washington auf internationaler und nationaler Ebene verstärkt Gegenstand politischer und gesetzgeberischer Aktivitäten geworden.

Politiker und Gesetzgeber sahen sich veranlasst, neue intensivere staatliche Maßnahmen zu schaffen, um terroristische Bestrebungen frühzeitig aufzudecken und sie im Anfangsstadium abzuwenden. Dazu sind auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene Anstrengungen zur präventiven und repressiven Bekämpfung des Terrorismus unternommen worden. Gemeinsame, konsensuale internationale und europäische Maßnahmen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus gestalteten sich schwierig. Unterschiedliche Auffassung und Ansichten erschwerten das Finden eines international einheitlichen Vorgehens zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. So bestand beispielsweise international keine einheitliche Definition des Terrorismusbegriffes. Auf europäischer Ebene zeigte der EU-Rahmenbeschluss zur Terrorismusbekämpfung aus dem Jahr 2002 eine erste einheitliche Beurteilung dieses Begriffes. Auf nationaler Ebene hat der Gesetzgeber der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung ein einheitliches Verständnis dieses Begriffes zugrunde gelegt, jedoch mit der Novellierung der Anti-Terrorismusgesetzgebung keine Legaldefinition geschaffen.

Die nationale Anti-Terrorismusgesetzgebung wurde durch die völkerrechtlichen und europarechtlichen Maßnahmen beeinflusst. Daher ist zunächst die Entwicklung der Anti-Terrorismus-Gesetzgebung von internationalen und europäischen Übereinkommen hin zu den nationalen Rechtsgrundlagen des Sicherheitsrechts im Überblick aufzuzeigen. Die internationalen Abkommen zur Terrorismusbekämpfung und die Erklärungen über eine gemeinsame europäische Vorgehensweise gegen den Terror beeinflussen und steuern sich gegenseitig. Der Zweck und die Zielsetzung der internationalen, europäischen und nationalen Terrorismusbekämpfung sind eng miteinander verbunden. Bei der Untersuchung der Rechtmäßigkeit der nationalen Anti-Terrorgesetzgebung sind daher neben der Vereinbarkeit mit deutschem Verfassungsrecht auch der Zweck und die Zielsetzung der internationalen und europäischen Terrorbekämpfung zu beachten.

Diese gesetzgeberischen Entwicklungen, seit den Anschlägen vom 11. September 2001, sind die Fortentwicklung der seit den 1970er Jahren bestehenden Antiterrorismusgesetzgebung. Es wurde kein allgemeines Anti-Terrorismusgesetz geschaffen, das alle Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen in einem Gesetz zusammenfasst. Es wurde stattdessen die Praxis der Mantelgesetze fortgeführt, bereits bestehende Gesetze in einzelnen Regelungen zu ändern. Die nationale Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung hat die sog. Anti-Terrorismuspakete I und II aus dem Jahr 2002, das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz, das am 11. Januar 2007 in Kraft getreten ist, sowie das Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsschutzgesetzes und andere Vorschriften vom 7. Dezember 2011 zum Gegenstand. Das Vorliegen einer Vielzahl von Gesetzen ergibt sich aus dem Umstand, dass die Vorschriften zeitlich befristet waren und seit 2001 größtenteils durch die nachfolgenden Gesetze verlängert und modifiziert wurden. Die Verfasserin untersucht die Verfassungsmäßigkeit der nationalen Gesetzgebung zur Bekämpfung der Terrorismus, insbesondere der nachrichtendienstlichen Kompetenznormen.

Die Prüfungsgegenstände dieser Studie werden daher auf das 34. Strafrechtsänderungsgesetz und das Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes (sog. Anti-Terrorismuspaket I) sowie das Terrorismusbekämpfungsgesetz (Anti-Terrorismuspaket II), das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG), das Antiterrordateien Gesetz (ATDG) und das Bundesverfassungsschutzänderungsgesetz (BVerfSchÄndG) beschränkt. Diese Gesetze haben im Wesentlichen eine Anpassung der nachrichtendienstlichen Ermittlungsbefugnisse zum Gegenstand. Weitere Gesetze, die ebenfalls Grundlage für präventive oder repressive Maßnahmen gegen den Terrorismus sein können, wie etwa Ermittlungsbefugnisse der Strafverfolgungsbehörden, die ihre Grundlage im Strafgesetzbuch oder der Strafprozessordnung haben, sind nicht Gegenstand der vorliegenden Begutachtung. Diese Studie folgt der Gesetzgebungshistorie, um die Entwicklungen einzelner Ermittlungsbefugnisse zu verdeutlichen und ein Gesamtbild der Anti-Terrorismusgesetzgebung aufzuzeigen.

Verfassungsrechtlich kritisch zu beurteilen sind zum einen die Kompetenznormen, durch die die Nachrichtendienste persönliche Daten erheben, speichern und verwerten können. Hier ist zu untersuchen, ob die Erhebung von Daten, die durch die Ermittlungsmaßnahmen gewonnen werden, auf verfassungsrechtlich gesicherte Ermächtigungsgrundlagen gestützt werden kann und wie datenschutzrechtlich mit den personenbezogenen Daten Verdächtiger und deren Kontaktpersonen umgegangen wird. Prüfungsmaßstab ist hier insbesondere das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. I GG. Zum Anderen wurden die Eingriffsermächtigungen so umfänglich erweitert, so dass zu prüfen ist, ob die ursprünglichen Aufgabenzuweisungen diese Erweiterungen noch decken. Desweiteren ist zu beachten, dass die Nachrichtendienste durch die Anti-Terrorismuspakete I und II Exekutivbefugnisse erhalten haben, die ursprünglich den Polizeibehörden des Bundes und der Länder vorbehalten waren. Ein genauer zu untersuchender Konflikt mit dem sog. Trennungsgebot von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten ist entstanden. Sofern diesem Trennungsgebot Verfassungsrang beigemessen werden muss, wäre ein möglicher Verstoß gegen dieses Gebot zu untersuchen.

Ferner wird untersucht, ob und wie diese Daten von den verschiedenen Nachrichtendiensten und den Polizeibehörden des Bundes und der Länder in einer gemeinsamen Antiterrordatei gespeichert, abgerufen und weiter verwendet werden dürfen. Auch das gemeinsame Terrorismus-Abwehr-Zentrum als eine besondere Form der Zusammenarbeit der Nachrichtendienste und Polizeibehörden des Bundes und der Länder zur Terrorismusbekämpfung muss verfassungsrechtlichen Maßstäben genügen. Die Einrichtung, Unterhaltung und Nutzung der Antiterrordatei und des gemeinsamen Terrorismus-Abwehr-Zentrums ist verfassungsrechtlich an dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zu messen.

Für ein besseres Verständnis der gegenwärtigen nationalen Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung erfolgt zunächst ein Überblick über die historische Entwicklung der Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung auf internationaler, europäischer und nationaler Ebene und die maßgeblichen Rechtsakte werden übersichtsartig vorgestellt. In einem Rückblick wird die Verlagerung des terroristischen Aktionsradius weg von national agierenden Terroristen, hin zu international organisierten und handelnden terroristischen Vereinigungen deutlich. Dies führt dazu, dass Terrorismus nicht nur ein Problem der inneren Sicherheit darstellt, sondern auch eine bedeutende außenpolitische Dimension aufweist.

Dieser neuen Bedeutung durch den Terrorismus musste auch der nationale Gesetzgeber bei der Gestaltung der Terrorismusgesetzgebung gerecht werden. Waren in den Siebziger und Achtziger Jahren die Drohungen der Terroristen noch national, auf einzelne Staaten und Gebiete gerichtet, so gelten die Drohungen des neuen internationalen Terrorismus nun vielfach der gesamten westlichen Welt. Erfolgte die Terrorismusbekämpfung damals auf nationaler Ebene, so zeigen diese Maßnahmen gegenüber dem internationalen Terrorismus auch nur auf dieser Ebene Wirkung. Die neue Form des Terroristen, der jahrelang verdeckt als Mitglied der Gesellschaft lebt, ist meist nur Teil einer national agierenden Splittergruppe einer internationalen terroristischen Vereinigung. Das volle Ausmaß einer terroristischen (Vorbereitungs-)Handlung kann nur erkannt und im Idealfall verhindert werden, wenn sowohl den nationalen Aktivitäten, als auch dem internationalen terroristischen Vorgehen die notwendige Aufmerksamkeit geschenkt wird. Diesen Umständen muss auch die nationale Gesetzgebung zur Terrorismusbekämpfung gerecht werden.

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