Doktorarbeit: Die Verwirklichung des rechtlichen Gehörs durch die Anhörungsrüge gemäß § 321 a ZPO

Die Verwirklichung des rechtlichen Gehörs durch die Anhörungsrüge gemäß § 321 a ZPO

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Schriften zum Zivilprozessrecht, Band 44

Hamburg , 248 Seiten

ISBN 978-3-8300-8958-2 (Print) |ISBN 978-3-339-08958-8 (eBook)

Zum Inhalt

Nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) hat vor Gericht jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Der in Art. 103 Abs. 1 GG enthaltene Rechtsgedanke wurzelt in einer langen Geschichte der Ausbildung der Rechtspflege. Er durchzieht jede einfache Verfahrensvorschrift und hat ihr gegenüber Verfassungsrang.

Das damit einhergehende Dilemma zwischen einer erstrebten Entlastung des Bundesverfassungsgerichts sowie des Instanzenzugs insgesamt und dem verfassungsrechtlich geforderten Streben nach Gerechtigkeit stellte lange Zeit eine kaum zu lösende Problematik für das Bundesverfassungsgericht und den Gesetzgeber dar. Nach Einführung der „verbesserten“ Anhörungsrüge mit Wirkung zum 01.01.2005 muss gefragt werden, ob sich dieses Dilemma für den Bürger - insbesondere für deren Rechtsanwälte - und die Gerichte (Fachgerichte sowie das Bundesverfassungsgericht) aufgelöst hat oder zumindest handhabbar geworden ist, was u.a. unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit von Bedeutung ist.

Das Bundesverfassungsgericht sieht den Sinn des Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, durch die Ermöglichung von Kommunikation zwischen richterlichen und nichtrichterlichen Verfahrenssubjekten die für die begehrte richterliche Entscheidung maßgeblichen Grundlagen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht abzuklären. Das prozessuale Urgrundrecht steht damit in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der verfassungsmäßigen Verpflichtung auch der richterlichen Gewalt zum Schutz und zur Achtung vor der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG.

Die Aufnahme des Rechts auf Gehör in das Grundgesetz sollte Missbräuche in gerichtlichen Verfahren, wie sie unter dem nationalsozialistischen Regime vorgekommen sind, unmöglich machen und das Vertrauen des Volkes in eine unparteiische Rechtspflege wiederherstellen.

Dass die Pflicht des Gerichts, den Parteien das rechtliche Gehör zu gewähren, nicht in der ZPO ausdrücklich geregelt ist, kann damit erklärt werden, dass der gesamten Verfahrensordnung das Recht der Parteien auf Gehör „geradezu selbstverständlich zugrunde liegt“. Das Bundesverfassungsgericht überlässt die nähere Ausgestaltung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs den einzelnen Verfahrensordnungen. So findet das rechtliche Gehör Ausdruck in zahlreichen Vorschriften der einzelnen Verfahrensordnungen. Gleichwohl ist Art. 103 Abs. 1 GG für die Auslegung des geltenden Verfahrensrechts heranzuziehen, und das Bundesverfassungsgericht leitet unmittelbar aus ihm Anhörungsrechte von Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ab.

Angesichts der Grundrechtsrelevanz des Rechts auf rechtliches Gehör stellte sich das Bundesverfassungsgericht und schließlich dem Gesetzgeber die Frage nach dem Prüfungsumfang und der Prüfungsintensität der verfassungsgerichtlichen Kontrolle. Dadurch, dass Art. 103 Abs. 1 GG dem Recht auf Gehör selbst Grundrechtsrelevanz einräumt, ist die Einhaltung der Prozessordnung damit immer grundrechtsrelevant. Das Bundesverfassungsgericht stellt dabei Verfassungsrecht und einfaches Recht zwangsläufig „parallel“, was als Ursprung für die Überlastung des Bundesverfassungsgerichts erachtet werden kann.

Ob jedoch eine verfassungsgerichtliche Kontrolle wegen einer Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG geboten ist, sollte bezogen auf den Einzelfall im Hinblick auf die Intensität des Eingriffs und seiner Folgen geprüft werden. Es besteht weder eine allgemeine Pflicht der Fachgerichte, von ihnen begangene Grundrechtsverstöße im Wege der Selbstkontrolle zu beseitigen, noch kann eine solche eindeutig bejaht werden für die Frage, ob eine verfassungsrechtliche Pflicht besteht, den Rechtsschutz gegen die Verletzung von Grundrechten durch die Gerichte so auszugestalten, dass Verfassungsbeschwerden nicht mehr erforderlich sein werden.

Um eine sinnvolle Verteilung der Aufgaben zwischen den Gerichten insbesondere unter Bewahrung der Funktionsfähigkeit des Bundesverfassungsgerichts zu erreichen, mag der Aspekt der „Parallelität“ auch eine Restriktion des Prüfungsumfangs des Bundesverfassungsgerichts rechtfertigen. Diese Ansicht wurde in der Literatur vielfach deutlich, bevor das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 30.04.2003 den Auftrag an den Gesetzgeber gab, eine Regelung zu finden, die den Anforderungen des Art. 20 GG und der Gewährung von Art. 103 Abs. 1 GG gerecht wird.

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