Elisa EidamFrankreich und die „Berliner Republik“
Wandel nationaler Identität und politische Neuorientierung im vereinigten Deutschland aus Sicht der französischen Presse
Schriften zur Kulturwissenschaft, Band 112
Hamburg 2014, 452 Seiten
ISBN 978-3-8300-7879-1 (Print)
ISBN 978-3-339-07879-7 (eBook)
Rezensionen
[…] Mit der ausführlichen Aufarbeitung von historischen Entwicklungslinien sowie der französischen Beurteilung verschiedener, von der Autorin gut ausgewählter Debatten und Ereignisse während der rot-grünen Koalition macht sie transparent, welche Einflüsse das Verhältnis zwischen den Nachbarstaaten bestimmten, und verdeutlicht insbesondere den Nutzern des Buches, denen die (Nachkriegs-)Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen nicht präsent ist, dass die heute fast durchweg gute und freundschaftliche deutsch-französische Kommunikation keineswegs selbstverständlich ist.
[…] Die ausgesprochen klar strukturierte und gut lesbare Studie bietet Französischlehrerinnen und -lehrern eine gute Gelegenheit, sich in eine spannende Phase der jüngsten deutsch-französischen Vergangenheit einzuarbeiten. Sie liefert darüber hinaus eine Vielzahl von Anregungen für die exemplarische Behandlung einzelner Schwerpunkte in fortgeschrittenen Französischlerngruppen. Mit Hilfe der Auflistung der analysierten Zeitungsartikel dürfte auch die Textauswahl für den Unterricht erleichtert werden.
Zum Inhalt
Jahrhundertelang hat die „Deutsche Frage“ die französische Deutschlandwahrnehmung entscheidend mitgeprägt. Entsprechend kontrovers waren die Pressereaktionen, als die deutsche Teilung 1989/90 ein Ende fand. Zum einen wurde der deutsche Einigungsprozess als legitim erachtet, zum anderen jedoch auch die Frage gestellt, in welche Richtung sich das Nachbarland entwickeln würde. Der Historiker Imanuel Geiss sah damals einen Zeitraum von etwa zehn Jahren vor, innerhalb dessen sich das innerdeutsche Nationenverständnis konsolidieren würde: „Die Stunde der Wahrheit für Deutschland und Europa schlägt [...] vermutlich in einem Jahrzehnt.“ (1) Tatsächlich kam im Oktober 1998 mit der rot-grünen Koalition eine neue Politikergeneration an die Macht, die für einen zukunftsorientierten Politikstil plädierte und klar für die deutschen Interessen eintrat. Im Jahr darauf zogen Bundesregierung und Parlament von Bonn nach Berlin und die Begrifflichkeit einer „Berliner Republik“ fand Eingang in die öffentliche Debatte. Es stellt sich die Frage, wie sich die französische Deutschlandwahrnehmung nach der Konsolidierung dieses neuen deutschen Nationendiskurses weiterentwickelt hat.
Ausgehend von dieser Fragestellung analysiert die vorliegende Untersuchung den Diskurs französischer Printmedien angesichts identitärer und politischer Restrukturierungsprozesse im vereinigten Deutschland von 1998 bis 2005. Das Textkorpus besteht aus Artikeln überregionaler französischer Tages- und Wochenzeitungen. Um die Begrifflichkeit der „Nationalen Identität“ in all ihrer Komplexität erfassen zu können, basiert die Untersuchung auf insgesamt acht Fallstudien zu den Themen „Einigungsprozess“, „Europäische Integration“, „Sicherheitspolitik“ und „Gedächtnispolitik“. In einer abschließenden Zusammenfassung werden die jeweiligen journalistischen Diskurse einander kontrastiv gegenübergestellt und in einen größeren Kontext eingebettet. Die Untersuchung geht somit induktiv vor und hat zum Ziel zu analysieren, wie die Entstehung der sogenannten "Berliner Republik" in der veröffentlichten Meinung Frankreichs beurteilt wurde. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die Frage gelegt, ob und inwiefern es hierbei zu einem Einsatz stereotyper Wahrnehmungsmuster gekommen ist.
(1) Imanuel GEISS: Die deutsche Frage 1806 – 1990, Meyers Forum 1, Mannheim et al.: BI-Taschebuchverlag, 1992, S. 115.
Schlagworte
Deutsch-französische BeziehungenEinigungsprozessEuropäische IntegrationFranzösisches DeutschlandbildFremdwahrnehmungGedächtnispolitikKommunikationswissenschaftKulturwissenschaftNationale IdentitätNationenbilderPolitischer DiskursPresseanalyseRomanistikSicherheitspolitikStereotypeIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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