Hanns Martin Friedrich LückeDie Ausnahme in § 107 BGB
Eine erziehungsbezogene Auffassung des rechtlichen Vorteils
Studien zum Zivilrecht, Band 103
Hamburg 2014, 126 Seiten
ISBN 978-3-8300-7776-3 (Print)
ISBN 978-3-339-07776-9 (eBook)
Zum Inhalt
Der § 107 BGB bildet das Kernstück des Minderjährigenrechts im BGB AT. Zentraler Bestandteil der Vorschrift ist seine Ausnahme. Danach bedarf eine Willenserklärung eines Minderjährigen zu ihrer Wirksamkeit keiner Einwilligung, wenn der Minderjährige lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt.
Die Norm ist nicht nur populär als Stoff für Anfängerübungen im Zivilrecht, sondern der § 107 BGB hat auch in der Praxis eine große Bedeutung. Hauptanwendungsfälle sind Schenkungen von Eltern an ihre eigenen minderjährigen Kinder. Praxisrelevant sind dabei insbesondere Gesellschaftsanteile und Immobilien. In solchen Situationen stellt sich die Frage, ob die Eltern für ein solches Rechtsgeschäft einen Ergänzungspfleger bestellen müssen oder ob die Minderjährigen in solchen Fällen lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangen und es daher keines Ergänzungspflegers bedarf.
Besonders bekannt ist in diesem Zusammenhang die „Gesamtbetrachtungslehre“ des BGH. Diese geht auf einen Beschluss vom 09.07.1980 zurück. Danach sollte die Nachteiligkeit einer Verfügung aus einer Gesamtbetrachtung von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft bestimmt werden. Diese Rechtsprechung wurde inzwischen aufgegeben. Mit den Entscheidungen ab 2004 schloss sich der Bundesgerichtshof der wirtschaftlichen Betrachtungsweise an.
Das Kernproblem liegt in der Notwendigkeit, ungefährliche Nachteile auszuschließen. Doch vor welchem Hintergrund ist die Ungefährlichkeit zu bestimmen? Ermöglicht eine wirtschaftliche Betrachtung wirklich eine sichere Prognose der Gefährlichkeit eines Rechtsgeschäfts?
Im Rahmen der Untersuchung wird der Normtext, die Leitentscheidungen und die Literatur untersucht. Schließlich wird der Maßstab des Regelfalls herausgearbeitet und versucht, diesen für die Ausnahme fruchtbar zu machen. Als zentrale Aufgabe des Minderjährigenrechts wird die Ausbildung für die Volljährigkeit verstanden. Der Minderjährige erhält den Schutz der schwebenden Unwirksamkeit nicht zum Selbstzweck.
Der Kritik, die Lösung würde zu Rechtsunsicherheit führen, wird mit einer systematischen Betrachtung der §§ 110 und 1004 BGB entgegengetreten. Schließlich wird eine erziehungsbezogene Auslegung vorgeschlagen, die den Maßstab des Regelfalls auf die Ausnahme überträgt.
Schlagworte
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