Irmgard Jungmann„...wir haben doch nur gesungen!“ – Zur verdrängten Geschichte der bürgerlichen Gesangvereine in der Weimarer Republik, dem „Dritten Reich“ und der frühen Bundesrepublik
Eine kommentierte Quellensammlung zum Zusammenspiel des Schwäbischen Sängerbundes mit den Städten Heilbronn und Neckarsulm
Studien zur Musikwissenschaft, Band 27
Hamburg 2013, 402 Seiten
ISBN 978-3-8300-7541-7 (Print)
ISBN 978-3-339-07541-3 (eBook)
Rezensionen
[…] werden sich viele Menschen an dieser Publikation reiben. Die Autorin wird damit leben müssen, diejenigen zu Feinden zu haben, die das Wörtchen »nur« in dem titelgebenden »Wir haben doch nur gesungen!« zur Definition ihres Kunstverständnisses erheben. Doch um die schiere Faktizität dessen, was diese Quellen – einander ergänzend, präzisierend, verstärkend – aussagen, kommt niemand herum. Fast zwangsläufig leitet das Fallbeispiel zu der Einsicht, dass musikalisches Agieren zu keinem Zeitpunkt der Geschichte unpolitisch sein kann – und dass das Problem keineswegs geringer wird, wenn diese Verbindung verleugnet werden soll.
[…] Wer das Buch in die Hand nimmt und anfängt darin zu blättern, wird spontan in seinen Bann gezogen. Fasziniert "verschlingt" er Seite für Seite, Dokument für Dokument. Zwischen den Zeilen kann man herauslesen wie sich große Teile der Bevölkerung von einer "Wahnideologie" haben begeistern und verblenden lassen.Man sagt gerne "der Ton macht die Musik". Bei der Lektüre stellt man rasch fest, dass auch gilt: "Der Text manipuliert die Musik". Jeder, der an der "wahren" Geschichte des Chorgesangs interessiert ist, sollte dieses Werk unbedingt lesen. Es lohnt sich!!
Zum Inhalt deutschenglish
Wie lebten bürgerliche Gesangvereine unter nationalsozialistischer Herrschaft?
Bedeutete ihre „Gleichschaltung“ die Aufgabe ihrer Unabhängigkeit?
Wie positionierten sie sich gegenüber dem „Reich“ und ihrem „Führer“?
Und wie verlief ihr Übergang in die bundesrepublikanische Wirklichkeit?
Am Beispiel der zwei eng benachbarten Städte Heilbronn und Neckarsulm wird mit dem vorliegenden Band exemplarisch der Versuch gemacht, diese bislang von den Gesangvereinen fast ausnahmslos verdrängte Phase ihrer Geschichte ins Gedächtnis zurückzuholen. Über 370 wörtlich zitierte Quellen aus Vereinsprotokollen, Vereinsnachrichten, Konzertprogrammen und Konzertkritiken, aus offiziellen Zeitungsberichten und aus Sänger-Zeitungen sollen die Zeit lebendig werden lassen. Das Tun auf der „unteren“ Vereinsebene, das Singen, die Veranstaltungen und die Einstellung gegenüber dem „Dienst am deutschen Lied“ werden als politische Kraft erkennbar, ganz besonders auch im größeren Zusammenhang eines regionalen Sängerbundes, der nicht zuletzt mit seiner regelmäßig erscheinenden Schwäbischen Sänger-Zeitung die offiziell zu vertretende Meinung der Sängerschaft bündelte und damit auf die singende Basis einwirkte.
Die Quellen wurden nach Themenbereichen angeordnet und jeweils mit einer Einführung versehen. Da von historischen Kontinuitäten auszugehen ist, wurde auch die Zeit der Weimarer Republik als „Vorbereitungszeit“ auf den Nationalsozialismus mit berücksichtigt. Zahlreiche Lied- und Werkstexte von 1925-1939, die nach 1945 nicht nur aus den Liederbüchern, sondern auch aus dem „deutschen“ Gedächtnis gestrichen wurden, sind hier nachzulesen. Sowohl der an der Materie interessierten Leserin/ dem Leser als auch den weiterhin Forschenden wird eine Fülle an bislang nicht veröffentlichtem Material zugänglich gemacht, das ebenso betroffen wie nachdenklich machen wird.
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Schlagworte
Cultural StudiesDeutsches LiedEntnazifizierungIdeologieKantatenKomponistenKulturgeschichteKulturwissenschaftMännergesangvereineMusiksoziologieMusikwissenschaftNationalsozialismusSozialgeschichte der MusikVerdrängungIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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Weiteres Buch der Autorin
Die nationalsozialistische Kantate: vernichtet – verschollen – vergessen?
Eine kommentierte Dokumentation
Hamburg 2020, ISBN 978-3-339-11412-9 (Print) | ISBN 978-3-339-11413-6 (eBook)