Johannes LahnerBoombranche kommerzielles Lobbying?
Eine komparative Studie über das kommerzielle Lobbying in den USA und Deutschland anhand der Automobilbranche
Wirtschaftspolitik in Forschung und Praxis, Band 68
Hamburg 2013, 456 Seiten
ISBN 978-3-8300-7406-9 (Print)
ISBN 978-3-339-07406-5 (eBook)
Zum Inhalt
Lobbying erfährt in den USA eine ganz andere Wahrnehmung, als es noch in Deutschland der Fall ist. Während sich in den Vereinigten Staaten - bedingt durch ihre traditionell vorherrschende demokratische Wettbewerbskultur - eine deutlich liberalere Grundhaltung, was die aktiv betriebene politische Interessenvermittlung anbelangt, entwickelt hat, steht die Öffentlichkeit in Deutschland dem Ganzen überwiegend skeptisch und vorurteilsbehaftet gegenüber. Letzteres ist in erster Linie auf die anti-pluralistische Entwicklung zurückzuführen, die die deutsche Interessenpolitik lange Zeit geprägt hat.
Die unterschiedliche Rezeption von Lobbying schlägt sich konsequenterweise auch in einer differenzierten Ausprägung der Interessenvermittlung sowie Interessenvertretung nieder. In den USA entwickelte sich bereits zu Beginn der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine pluralistische Interessenlandschaft mit unterschiedlichen Akteuren. Neben den traditionellen Lobbyisten, den Verbänden, entstanden schon bald neue Formen der Interessenvertretung wie etwa Public Affairs Agenturen oder Rechtsanwaltskanzleien. Währenddessen war die Interessenlandschaft der Bundesrepublik alles andere als pluralistisch geprägt. Dort agierten nach dem Zweiten Weltkrieg fast ausschließlich Verbände als Interessenakteure. In diesem Zustand verweilte die Bundesrepublik bis in die 90er Jahre. Erst als die Wiedervereinigung zu wirken anfing und die Bundeshauptstadt nach Berlin verlegt wurde, kam es schließlich zum Umbruch in der deutschen Interessenlandschaft. Eine Amerikanisierung der politischen Interessenvermittlung ging nun vonstatten. Während dieser Phase wurden nicht nur Lobbyingmethoden aus den Vereinigten Staaten neu eingeführt, sondern es siedelten sich auch vermehrt US-Unternehmen aus dem Lobbyingumfeld in Berlin an und eröffneten dort Niederlassungen. Die zunehmende Pluralisierung der Interessenvertretung sorgte nicht nur für eine Schwächung der Vormachtstellung der Verbände, sondern sie war auch für die Entstehung von kommerziellem Lobbying in Deutschland mitverantwortlich. Diese noch vergleichsweise junge Form der Interessenvertretung zeichnet sich in erster Linie durch kommerziell geprägtes, individuell betreutes sowie projektbezogenes Lobbying aus. Der Auftraggeber des kommerziellen Lobbying hat dabei die Möglichkeit, entweder einen externen Dienstleister für diese Art der Tätigkeiten zu engagieren oder eine eigene, interne Abteilung zu gründen, die diese Aufgaben erledigt. Beim kommerziellen Lobbying handelt es sich jedoch um eine äußerst kostspielige Angelegenheit, die aus diesem Grund häufig nur wohlhabenderen Akteuren, wie etwa Großkonzernen oder Staaten, vorbehalten bleibe Dennoch stößt diese individuelle Form der Interessenvertretung gerade in Deutschland auf eine rege Nachfrage. Ein entscheidender Grund hierfür liegt bei den Schwächen des Verbandslobbying. Die allgemeine und auf Konsens bedachte Ausrichtung der Interessenvertretung sorgt mitunter für Unmut bei den Verbandsmitgliedern, so dass diese“ ihre eigene Position außerhalb des Verbandskonsenses vertreten“ (Koch 2009: 7). Kommerzielle Lobbyisten können dieses Defizit schließlich ausnutzen, indem sie genau auf die Wünsche des Auftraggebers eingehen.
Wie Joep Cornelissen hier andeutet, konnte in den USA besonders in den letzten Jahren ein spürbarer Anstieg beim kommerziellen Lobbying festgestellt werden. Diese Entwicklung ist insbesondere auf die neuen Herausforderungen und Bedürfnisse zurückzuführen, die sich unter anderem im Zuge des vorangeschrittenen Globalisierungsprozesses manifestierten. So müssen sich beispielsweise global agierende Unternehmen mehr und mehr dem internationalen Wettbewerb stellen und sind dadurch einem weitaus höheren Konkurrenzdruck ausgesetzt. Finanzielle Aspekte rücken in diesem Zusammenhang auch immer weiter in den Vordergrund. Kommerzielles Lobbying dient hier als ideales Mittel, um leichter an politische Aufträge, Subventionen oder andere Unterstützungsleistungen zu gelangen. Ein weiterer Grund, der für das Engagement von kommerziellen Lobbyisten spricht, ist die zunehmende Komplexität der politischen Prozesse. Meist handelt es sich bei diesen Interessenvertretern um professionelle und spezialisierte (Politik -)Berater, die mit der spezifischen Materie bestens vertraut sind oder sich dementsprechend vertraut machen. Auch in Deutschland ist dieser Trend hin zum kommerziellen Lobbying durchaus erkennbar. Besonders als Alternative zum allgemeinen Verbandslobbying ist diese individuelle Form der Interessenbetreuung, wie bereits weiter oben kurz geschildert, bestens geeignet und sehr gefragt. Heutzutage reicht die klassische, pure Lobbyarbeit nicht mehr aus, um die Wünsche der Mitglieder gänzlich zu erfüllen. Neue Methoden und Strategien, wie sie zum Teil im Zuge der Entwicklung des kommerziellen Lobbying eingeführt wurden, finden immer häufiger Anklang. Auch die Zahl der Hauptstadtrepräsentanzen in Berlin wächst immer weiter an und bestärkt diesen Trend einer Individualisierung der Interessenvertretung.
Die Frage, die sich nun stellt und die mithilfe dieser Studie im Folgenden beantwortet werden soll, lautet: Handelt es sich beim kommerziellen Lobbying in den USA und in Deutschland, betrachtet anhand der Automobilindustrie, um eine boomende Branche?
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AutomobilindustrieDeutschlandInteressenvermittlungInteressenvertretungKommerzielles LobbyingLobbyingPolitikwissenschaftPolitische ÖkonomiePublic AffairsUSAVerbändeWirtschaftspolitikIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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