Dissertation: Lernprozessbegleitung in der beruflich-betrieblichen Bildung

Lernprozessbegleitung in der beruflich-betrieblichen Bildung

Theoretische Ansätze und empirische Ergebnisse am Beispiel des Modellversuchs „Qualitätsentwicklung und -sicherung in der Maler- und Lackiererausbildung (MLQuES)“

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Betriebliche Personalentwicklung und Weiterbildung in Forschung und Praxis, Band 16

Hamburg , 334 Seiten

ISBN 978-3-8300-7242-3 (Print) |ISBN 978-3-339-07242-9 (eBook)

Zum Inhalt

In der beruflichen Bildung fand in den letzten Jahren in Deutschland eine Neuausrichtung der Zieldimensionen in Richtung Entwicklung beruflicher Handlungskompetenz und der Förderung des lebenslangen Lernens statt. Als wesentliches Argument für diese Neuausrichtung wird vor allem der sozioökonomische Wandel mit seinen Folgen für die Arbeitsorganisation genannt. Insbesondere die Diskussion um die Erweiterung der Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume im Arbeitsprozess und die hohe Innovationsgeschwindigkeit in der Produktion und bei Dienstleistungen unterstützen diese Forderung.

Die vor dem Hintergrund des Wandels diskutierte Gestaltung von Arbeitsprozessen eröffnet aus der Perspektive der Pädagogik die Möglichkeit, Leitbilder der Reformpädagogik wieder aufzugreifen, weil sich dadurch partizipative, emanzipatorische und persönlichkeitsbildende Elemente in die Arbeitstätigkeit integrieren lassen. Außerdem erfordert der stetige Wandel eine Orientierung an lebenslangen Lernprozessen.

Die Erfordernisse der modernen Berufsarbeit gehen damit von einer Berufstätigkeit aus, in die sich die Individuen gestaltend in den Arbeitsprozess einbringen und im Hinblick auf die Bewältigung aktueller und zukünftiger Anforderungen des Arbeitsprozesses auf unterschiedliche Weise ständig weiterlernen und -qualifizieren. Derartige Erfordernisse sind nicht mehr über direktive und abgeschlossene Ausbildungs- und Lernprozesse zu erreichen, sondern finden wegen des lebenslangen Charakters zeitlich und räumlich entgrenzt statt. Dabei sind sie hoch differenziert und direkt an das lernende Subjekt gebunden, denn sie ergeben sich aus den Bedürfnissen, der Biografie und dem Umfeld des Lerners. Arbeits- und Lernprozesse sind miteinander verbunden, wenn das Lernen direkt im Prozess der Arbeit stattfindet und über formales Wissen hinaus auch (Arbeits-)Erfahrungen einbezieht. Die nachhaltige Aktivierung und Steuerung von Lern- und Arbeitsprozessen ist eine aktuelle Anforderung in der beruflich-betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Sie rückt damit zunehmend in den Mittelpunkt berufs- und betriebspädagogischer Entwicklungsbestrebungen und schlägt sich in deren Lernkonzepte und Rollenbilder nieder. Damit wird deutlich, dass sozioökonomische Wandlungsprozesse in ihrer Wechselwirkung mit Erkenntnissen und Diskursen aus der Berufsbildungsforschung und aus bildungspolitischen Zielorientierungen die Grundlage für die zunehmende Bedeutung der Lernprozessbegleitung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung sind. Denn Konzepte der Lernprozessbegleitung, des Coachings und der Lernberatung wurden in der beruflich-betrieblichen Aus- und Weiterbildung zur Förderung des selbst gesteuerten Lernens und des Erfahrungslernens entwickelt.

Diese Konzepte stellen sich enormen pädagogischen Herausforderungen. Denn Lernprozesse, die unmittelbar mit der Bewältigung des Arbeitsprozesses verknüpft sind, gehen von konkreten beruflichen Handlungsproblemen und -zielen aus, die sich auf das lernende Subjekt beziehen. Ein (fach-)systematischer Inhaltskanon mit einer festgelegten zeitlichen Gliederung eignet sich nicht für derartige Lernprozesse. In der Folge wird ein Großteil der Steuerungsfunktionen für das Lernen vom Bildungspersonal wie z.B. Lehrer1, Ausbilder, Weiterbilder, Lernprozessbegleiter an den Auszubildenden bzw. Weiterzubildenden abgegeben. Das Bildungspersonal tritt also bei den Lernprozessen in eine unterstützende Funktion zurück und behält gleichzeitig die vorgegebenen Bildungsziele der Aus- bzw. Weiterbildungsmaßnahme im Blick. Charakteristisch für das skizzierte Verständnis von Lehr- Lernbeziehungen ist in beruflich-betrieblichen Kontexten vor allem der geforderte Wandel des Aus- und Weiterbildners und Dozenten/Lehrers vom Wissensvermittler zum Lernberater und Lernprozessbegleiter.

Zudem sind die in der beruflich-betrieblichen Bildungspraxis entwickelten Konzepte der Lernprozessbegleitung in ihren Ausprägungen von den unterschiedlichen Berufsgruppen mit der ihnen eigenen beruflichen Sozialisation, spezifischen Vorgehensweisen und Schwerpunktsetzungen sowie spezifischem Habitus geprägt. Auch wenn einige dieser Konzepte auf unterschiedliche wissenschaftliche Theorien zurückgreifen, hat eine fundierte theoretische Aufarbeitung und Reflexion der Lernprozessbegleitung bisher nicht stattgefunden.

Die theoretische Fundierung der Lernprozessbegleitung ist aus wissenschaftlicher Perspektive von grundlegender Bedeutung, denn sie liefert die Grundlage für einen begrifflich abgesicherten, systematischen Diskurs und für die empirische Forschung. Sie stellt einen Ordnungsrahmen und ein Begriffssystem zur Verfügung, mit dem das praktisch Vorgefundene beschrieben, reflektiert und interpretiert werden kann, um zu neuen Hypothesen und Überlegungen zu gelangen. Die theoretische Fundierung dient der Orientierung, der Profilierung dieses Themas, das mit einer eigenen (Fach-)Sprache, einer eigenen Systematik versehen wird, sodass sie sich von anderen Themen abgegrenzt und zu einem eigenständigen Gegenstand berufspädagogischer Forschung und Entwicklung wird.

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