Doktorarbeit: Scheinvaterschaften

Scheinvaterschaften

Die notwendige Beteiligung des Kindes an der Vaterschaftsfeststellung

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Studien zum Familienrecht, Band 21

Hamburg , 724 Seiten

ISBN 978-3-8300-3548-0 (Print) |ISBN 978-3-339-03548-6 (eBook)

Zum Inhalt

"Scheinvaterschaften" sind gesetzlich begründete Vaterschaften, die nicht zwingend ausländerrechtlichen Bezug haben, wenngleich sie in diesem Kontext zur Erschleichung von Aufenthaltsrechten und zur Belastung der Sozialkassen überwiegend vorkommen. Sie sind immer dann gegeben, wenn die Vaterschaft mit der biologischen Authentizität nicht übereinstimmt, und diese fehlende Übereinstimmung – gleich aus welchem Motiv – gewollt ist. Sie finden ihre Parallele in der Scheinehe.

Scheinvaterschaften werden überwiegend gegenüber nichtehelichen Kindern begründet (von der Sonderregelung des § 1599 Abs. 2 BGB abgesehen), und zwar durch Anerkennung seitens des "Vaters" und Zustimmung der Mutter aus eigenem Recht, ohne das Kind verfahrensmäßig an der Festlegung seines gesetzlichen Vaters zu beteiligen. Hier liegt bereits in der rechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens, aber auch in der materiellen Normierung eine im Vergleich zur Situation bei den ehelichen Kindern nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 6 Abs. 5 GG. Die Historie zum Recht der nichtehelichen Kinder benachteiligte diese und den biologischen Vater gleichermaßen. Die zur Vaterschaftsmanipulation einladenden Bestimmungen, wonach die tatsächliche Vaterschaft aufgrund Geburt während der Ehe oder Anerkennung vermutet wird, haben Rechtstradition: Die im Einzelfall damit nicht übereinstimmende biologische Vaterschaft soll sich erst im Rahmen der Anfechtung und gerichtlichen Feststellung durchsetzen. Dieser abgestufte Regelungsmechanismus wäre unschädlich, wenn die gesetzliche Vaterschaftsbegründung nicht in hoher Anzahl der Manipulation unterläge.

Das Nichtehelichengesetz 1969 hatte den möglichen Missbrauch der Vaterschaftsanerkennung vorhergesehen und aus diesem Grunde die ausdrückliche Zustimmung des Kindes zur Vaterschaftsanerkennung verlangt. Es hatte daher für die Feststellung der Vaterschaft die obligatorische Amtspflegschaft eingeführt, womit die Manipulation der Vaterschaft in dem häufigen Fall der bloßen Anerkennung so gut wie ausgeschlossen war. Der Amtsvormund konnte nämlich die Zustimmung des Kindes, das er vertrat, davon abhängig machen, dass der Vater seine Vaterschaft tatsächlich nachwies. Diese Regelung führte nicht zwingend zu der vielfach beklagten Diskriminierung der Kindesmutter, zumal das Gesetz die antragsgemäße Suspendierung vorsah.

Im Zuge der Kindschaftsreform hob das Beistandschaftsgesetz die gesetzliche Amtspflegschaft auf und führte stattdessen die freiwillige Beistandschaft ein. Die Mutter, die sich an der Manipulation der Vaterschaft beteiligte oder auch nur die Feststellung der wahren Vaterschaft zeitlich hintertrieb, brauchte nicht zu befürchten, deswegen das Vertretungsrecht für das Kind entzogen zu bekommen. Der Gesetzgeber beseitigte nämlich mit der Abschaffung der Amtspflegschaft eine dahingehende Sanktionsmöglichkeit. Die dadurch begünstigte Zunahme der Vaterschaftsmanipulationen stützt die damals schon geübte Kritik, der Gesetzgeber habe die Frauenrechte auf Kosten der Kinder gestärkt.

Die gegenwärtige Rechtslage entzieht dem Kind in den häufigsten Fällen der Vaterschaftsmanipulation – nämlich bei der Vaterschaftsbegründung durch Anerkennung gem. § 1592 Nr. 2 BGB - das eigene Mitwirkungsrecht und belässt es stattdessen beim Zustimmungsrecht der Mutter, obwohl zwischen dieser und dem anerkennenden Vater kein Rechtsverhältnis zu gestalten ist. Eine derartige Regelung, die das Kind anlässlich der Vaterschaftsfeststellung nicht selbst (mit )entscheiden lässt, verkürzt das von Art. 2 Abs. 1 GG gewährte Freiheitsrecht des Kindes weitergehend, als es zur Wahrnehmung des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG erforderlich ist, zumal es dem Kind nicht einmal eine nach dem Grad der Urteilsreife altersgestaffelte Beteiligung an diesem Vorgang einräumt.

Ein Gesetz, das Eltern eine derartige Befugnis einräumt, die Kinder selbst nicht zu beteiligen an der authentischen Vaterschaftszuordnung, verkürzt das Freiheitsrecht eines Kindes und löst damit zwangsläufig Schutzansprüche des Kindes gegen den Staat aus. Dieser ist vorbeugend verpflichtet, das Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft so auszugestalten, dass es die Grundrechte des Kindes sicherstellt, wozu gehört, dass es im Interessenstreit mit den Eltern bereits am Verfahren der authentischen Vaterschaftsfeststellung zu beteiligen ist. Darin sollte das vordringliche Anliegen einer Gesetzesreform zur Vermeidung von Scheinvaterschaften bestehen und nicht nur in der nachträglichen Beseitigung ausländerrechtlich motivierter Auswüchse auf diesem Terrain.

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