Dissertation: Miteinander wachsen: Kinder und Eltern in der Erziehungsberatung

Miteinander wachsen: Kinder und Eltern in der Erziehungsberatung

Förderung der Selbstwirksamkeit auf der Basis videogestützter Interaktionsdiagnostik

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EUB. Erziehung – Unterricht – Bildung, Band 111

Hamburg , 526 Seiten

ISBN 978-3-8300-1585-7 (Print)

ISBN 978-3-339-01585-3 (eBook)

Rezension

[...] Umso erfreulicher ist es daher, dass Gerd Bohlen als erfahrener Dipl.-Psychologe in der Erziehungs- und Familienberatung (17 Jahre Tätigkeit in diesem Bereich) mit seiner Arbeit einen Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen Forschung und Praxis vorgelegt hat. [...]

Dem Autor kommt darüber hinaus der Verdienst zu, mit der Förderung von Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bei Kindern und Eltern eine Zielgröße in die Qualitätsdebatte eingebracht zu haben, bei der - ähnlich wie bei der Kohärenzsinnförderung - die ressourcenorientierte "Hilfe zur Selbsthilfe" zum Maßstab für Beratungsbemühungen gemacht wird.



Zum Inhalt

Erziehungs- und Familienberater wurden im 8. Jugendbericht der Bundesregierung stark kritisiert. Insbesondere Psychologen wurde vorgeworfen, sich gegenüber Erwartungen von außen abzuschirmen und sich einseitig methodisch auszurichten. Diese Kritik ist Ausgangspunkt für den Autor, in einem ersten Arbeitsschritt eine genaue Analyse von Klientenwünschen als Grundlage für einen bedarfsorientierten neuen Beratungsansatz vorzunehmen.

Um sicherzustellen, dass die von ihm entwickelte Beratungspraxis nicht konträr zu wichtigen entwicklungspsychologischen Ergebnissen aus der Akademischen Psychologie ist, sondern eine größtmögliche Übereinstimmung mit diesen aufweist, diskutiert der Autor im nächsten Arbeitsschritt wichtige aktuelle Befunde aus der Entwicklungspsychopathologie, der Bindungstheorie und zur Spezifizierung, das Konzept der Entwicklungsaufgaben. Zentrales und übereinstimmendes Ergebnis der gründlichen und fundierten Recherche ist die große Bedeutung der Bezugspersonen für die Entwicklung der Kinder sowie die Einschätzung der eigenen Selbstwirksamkeit, Entwicklungsaufgaben gut bewältigen zu können. Deshalb sollte die aktive Hilfe zur Problembewältigung ein zentrales Ziel in jeder Therapiekonzeption, also auch der Erziehungsberatung sein. Bei dieser therapeutischen Ausrichtung nimmt der Erziehungsberater die Schwierigkeiten des Patienten ernst als ein Nicht-Können und hilft dem Patienten aktiv, diese Schwierigkeiten besser bewältigen zu können als bisher. Dabei geht es insbesondere darum, dass die Klienten durch die in der Beratung vermittelten Erfahrungen mehr Zutrauen bekommen, etwas zu können, was sie vorher nicht konnten oder sich nicht zutrauten und ggf. die dazu erforderlichen Fähigkeiten oder das dafür erforderliche Wissen neu erwerben.

Aufgrund der herausragenden Bedeutung der Selbstwirksamkeitsüberzeugungen stellt der Autor deshalb die von Bandura vorgestellte Selbstwirksamkeitstheorie in den Mittelpunkt eines Beratungsansatzes und nutzt sie sowohl therapeutisch als auch als zentrales Evaluationsmaß zur Messung von Therapiefortschritten. Um die Anwendbarkeit im Bereich der Erziehungsberatung möglich zu machen, entwickelt der Autor dabei ein neues, interaktionales Verständnis von Selbstwirksamkeit. Selbstwirksamkeit ist damit keine Leistung des einzelnen, sondern wird als kooperative Leistung zwischen Eltern und Kindern verstanden. Neben der Bedeutung von Einstellungen bzw. Attributionen sind deshalb videografierte Verhaltensbeobachtungen von Eltern und Kindern in für sie schwierigen Situationen ein zentrales therapeutisches Instrument. So wird es z. B. in Hausaufgabensituationen oder Konfliktgesprächen möglich, Kinder und Eltern zu helfen, miteinander diese Situationen anhand der Auswertung von Videoaufnahmen zu bewältigen und zu mehr Zutrauen in die Bewältigung von diesen Situationen zu kommen.

Dieses Vorgehen wird an dem Fall eines Kindes sehr anschaulich beschrieben. Dabei handelt es sich bei dem vorgestellten Fall um einen typischen, aber auch schwierigen Beratungsfall, denn das Kind erhält nicht nur Ritalin wegen einer diagnostizierten Aufmerksamkeitsstörung und zeigt eine ausgeprägte Teilleistungsschwäche, sondern es liegen auch starke Erziehungsprobleme vor. Es überrascht deshalb nicht, dass die Eltern völlig hilflos in die Erziehungsberatung kommen und, wie sich auch durch eine Dokumentation von Aussagen im Laufe der Beratung ergibt, mit Hilfe der entwickelten Methodik immer sicherer und selbstwirksamer werden, ihr Kind schulisch zu unterstützen und Konflikte positiv zu klären. Nicht zuletzt wegen dieser prägnanten Fallbeschreibung ist das Buch sowohl für wissenschaftlich Interessierte als auch für Praktiker interessant und bereichernd.

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