Forschungsarbeit: Otto Grotewohl kontra Kurt Schumacher

Otto Grotewohl kontra Kurt Schumacher

Die Wennigsener Konferenz im Oktober 1945

Buch beschaffen

POLITICA – Schriftenreihe zur politischen Wissenschaft, Band 60

Hamburg , 112 Seiten

ISBN 978-3-8300-1391-4 (Print)

Rezension

[...] Loeding zeichnet detailliert die Positionen der verschiedenen Akteure der Wennigsener Konferenz nach. Insbesondere arbeitet er heraus, wie und aus welchen Gründen sich die Position Schumachers veränderte, der zunächst ebenfalls gesamtdeutsch orientiert war und sich erst später gegen die Vereinigung der Partei entschieden hatte. Der Autor will eine ideologiefreie Darstellung der damaligen, in der Parteigeschichte zum Teil unterschiedlich interpretierten Vorgänge liefern und bezieht dazu sowohl west- als auch ostdeutsche Archive und Unterlagen in seine Auswertung ein. [...]



Zum Inhalt

Die Geschichte der SPD nach dem Zweiten Weltkrieg ist untrennbar mit zwei Namen verbunden: Otto Grotewohl, einem der Vorsitzenden des Zentralausschusses (ZA) der SPD in Berlin, und Kurt Schumacher, der nach der Befreiung durch die Westmächte in Hannover das SPD-Büro Schumacher bildete. Sowohl der Zentralausschuss der SPD in Berlin als auch das Büro Schumacher hatten den Anspruch, die politische und organisatorische Führung der SPD im ganzen Reich zu erlangen. Kurt Schumacher dachte anfangs also ebenfalls in gesamtdeutschen Bahnen. Diesen Anspruch verwarf er alsbald und konzentrierte seine Bemühungen darauf, den Aufbau der SPD in den Westzonen zentral von Hannover aus zu koordinieren und die organisationspolitischen Aktivitäten des ZA in den Westzonen einzudämmen.

Der markanteste Unterschied zwischen den Vertretern des ZA in Berlin und Kurt Schumacher bestand darin, dass Schumacher die Zusammenarbeit mit den Kommunisten in der Aktionseinheit und Einheitsfront und die vom ZA befürwortete Vereinigung von SPD und KPD strikt ablehnte. Vom 5. bis 7. Oktober 1945 kamen in Wennigsen bei Hannover Sozialdemokraten aus allen vier Besatzungszonen zur ersten Nachkriegskonferenz der SPD zusammen. Obwohl in politischen Grundsatzpositionen zwischen der Berliner SPD-Führung und der politischen Konzeption Schumachers ein hohes Maß an Übereinstimmung bestand, gelang es der ZA-Delegation auf der von Kurt Schumacher einberufenen Wennigsener Konferenz nicht, ihre Primärziele durchzusetzen: a) den ZA unter Hinzuziehung von Sozialdemokraten aus den Westzonen und dem Londoner Exilvorstand zur provisorischen nationalen Führungsinstanz auszubauen und b) ein Übereinkommen zur Einberufung eines Reichsparteitages zu schließen, auf dem ein neuer Parteivorstand gewählt und eine Entscheidung zur Vereinigung mit der KPD herbeigeführt werden sollte. Schumacher zeigte keine Bereitschaft, in diesen Punkten einen Konsens herbeizuführen. Mit den Ergebnissen der Wennigsener Konferenz war im Grundsatz die Spaltung der SPD in zwei selbständige Organisationseinheiten eingeleitet. Schumacher stellte sich auf den Standpunkt, dass eine sozialdemokratische Reichspartei erst nach dem Fall der Zonengrenzen aufgebaut werden könne. Es ist in diesem Zusammenhang legitim, die Rolle Kurt Schumachers als wesentlichen Bestandteil im Vereinigungsprozess von KPD und SPD in der SBZ 1945/46 zu erfassen und die Auswirkungen seiner gegen die KPD gerichteten Politik für den ZA der SPD in Berlin kritisch zu hinterfragen.

Die Arbeit rekonstruiert Schumachers Planungen und die Position des Zentralausschusses in Berlin im Vorfeld der Konferenz. Alsdann wird das Auftreten Schumachers und Grotewohls auf der Zusammenkunft thematisiert und versucht, Ursachen für Schumachers Blockadehaltung herauszuarbeiten. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, mit einer sachlichen und gründlich mit Quellen belegten Darstellung dieser Konferenz zum unvoreingenommenen Nachdenken über bisherige Beurteilungen der deutschen Nachkriegsgeschichte, insbesondere der SPD, anregen.

Seitdem die Archive der DDR in den ostdeutschen Bundesländern für jedermann zugänglich sind, bestehen neue Möglichkeiten, bisherige Urteile auf Grund neuerer Erkenntnisse zu überprüfen und frei von ideologischen Vorbehalten zu betrachten, was für ost- und westdeutsche Wissenschaftler gleichermaßen zutrifft. Wer den Anspruch hat, Geschichtsbetrachtung ohne Vorurteile und unbelastet von parteipolitischen Vorgaben zu betreiben, sollte nicht eingefahrene Interessen und Meinungen bedienen, sondern politische Auffassungen und Entscheidungen aus den Bedingungen der konkret-historischen Situation heraus zu erklären versuchen.

Bei aller Vorsicht in der Nutzung historischer Dokumente steht nach Erachtens des Autors fest: was unmittelbar an Niederschriften über die Wennigsener Konferenz entstanden ist, hat einen hohen Informationswert über Denken und Handeln, Motive und Ziele der Protagonisten der ersten Nachkriegsmonate. Wer nicht nur Zitate aus ihren Zusammenhang reißt, sondern den Geist solcher Dokumente erfasst, der kann historische Prozesse von ihren Ursachen und Wertungen adäquater einschätzen als das sonst oft der Fall ist.

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[...] zeigt Loeding, dass sich die damaligen Akteure der Parteien nicht zonal, sondern gesamtdeutsch orientierten und ihre Entscheidungen in diesem Kontext…