Georg ArtelsmairDie Internationalisierung des europäischen Patentsystems im Spannungsfeld von Globalisierung, Regionalisierung und nationalen Interessen
Wirtschaftspolitik in Forschung und Praxis, Band 11
Hamburg 2004, 558 Seiten
ISBN 978-3-8300-1293-1 (Print)
Zum Inhalt
Die Weltwirtschaft befindet sich in einem komplexen Umbruchprozeß für den sich der Ausdruck ‘Globalisierung‘ etabliert hat. Das Wirtschaftsgeschehen löst sich in zunehmendem Maße aus seinen nationalstaatlichen Fesseln und nimmt globale Dimensionen an. Zugleich löst sich die Ökonomie auch aus ihrem traditionellen materiellen Container, es entsteht eine (post)moderne Wissensgesellschaft.
Die Staaten reagieren auf die globale Herausforderung, indem sie neue Formen des Regierens entwickeln. Die staatliche Kontrolle über die Privatwirtschaft wird reorganisiert, z.B. durch den Aufbau von inter- oder supranationaler Organisationen. Der Nationalstaat verliert damit das Monopol zur Erzeugung kollektiver Problemlösungen, weil er eingebunden wird in ein komplexes System des Regierens auf mehreren Ebenen.
Da Wirtschaft heute überall stattfindet, die Politik ihre Wirkung aber im wesentlichen nur innerhalb eines Staates entfaltet, gerät die Internationalisierung der Wirtschaft in Konflikt mit dem nationalen Souveränitätsanspruch. Dies gilt auch im Bereich des Patentwesens, da Patentsysteme ihrem ursprünglichen Wesen nach nationale Systeme sind (Territorialitätsprinzip). Ein erster Schritt zur Lösung dieses Problems in Europa war die Gründung der Europäischen Patentorganisation (EPO) in den 70er Jahren. Mit ihr wurde zumindest das Patenterteilungsverfahren zentralisiert. Bis heute fehlt aber, trotz Binnenmarkt und EURO, ein einheitliches und geschlossenes Patensystem für die gesamte EG. Die Internationalisierung des europäischen Patentwesens hinkt also deutlich hinter der fortschreitenden wirtschaftlichen Integration nach. Ein einheitlicher europäischer Binnenmarkt erfordert aber ein einheitliches europäisches Patentsystem, um mit vergleichbaren Märkten, beispielsweise den USA mithalten zu können.
Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach warum es so schwierig ist zu einer gemeinschaftsrechtlichen Regelung für das Patentwesen (Gemeinschaftspatent) zu kommen. Trotz vieler Anläufe und trotz der wiederholt und eindeutig erklärten Interessen der europäischen Wirtschaft mußten die entsprechenden Zeitpläne immer wieder umgestoßen werden.
Die vertretene These lautet, daß sich das patentpolitische Geschehen in Europa nicht alleine mit funktionalen Zwängen und/oder nationalen Interessen erklären läßt. Vielmehr waren und sind auch die institutionellen Rahmenbedingungen in denen der Politikprozeß stattfindet von wesentlicher Bedeutung. Dazu gehört vor allem die Tatsache, daß in diesem Kompetenzbereich zwei supranationale Organe, nämlich EPO und EG unverknüpft nebeneinander bestehen.
Um eine Lösung zu erzielen ist daher ein enormes Maß an Koordination erforderlich. Zudem eröffnet diese Konstellation den Mitgliedstaaten der Union die Möglichkeit, Konfliktfelder zwischen den Foren hin und her zu schieben. Die Wirtschaft andererseits hat in der bereits bestehenden EPO eine Rückfallposition und ist daher nicht auf Lösungen um jeden Preis angewiesen. Und nicht zuletzt spielen in einem derartig komplexen Organisationsgeflecht auch die Eigeninteressen der europäischen Institutionen eine gewisse Rolle.
Schlagworte
Europäische IntegrationEuropapolitikGemeinschaftspatentGlobalisierungNationale InteressenPatentpolitikPatentwesenStaatliche SouveränitätStrukturwandelVolkswirtschaftslehreWissensgesellschaftIhr Werk im Verlag Dr. Kovač
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